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Stiche ins Ohr zu Modezwecken regelt das Wirtschaftsministerium, Stiche mit Akupunkturnadeln das Ärztegesetz.

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Graz - "Es ist eigentlich eine schizophrene Situation. Stich ist nicht gleich Stich", sagt Thomas Ots. Der Grazer Mediziner setzt bei seinen Behandlungen auch Akupunktur ein und fungiert als Österreich-Obmann der speziellen Nada-Akupunktur.

Nada ("National Acupuncture Detoxification Organisation") ist eine in den USA in den 1980er Jahren entwickelte Spezialform einer Ohren-Akupunktur. Sie wurde ursprünglich vorwiegend bei Heroinabhängigen, in den letzten Jahren aber auch erfolgreich bei psychischen Erkrankungen, Stress oder Burnout eingesetzt. Die Behandlung besteht im Kern aus einer sehr einfachen Akupunktur mit maximal fünf Nadeln und sei "leicht erlernbar, auch für Nicht-Mediziner", sagt Ots.

"Die Methode ist standardisiert, man kann sie im Prinzip in Wochenendseminaren erlernen. Der Haken und eben die Schizophrenie dabei ist: Die Anwendung der Nada-Akupunktur ist - im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten - nur Ärzten und medizinischem Personal erlaubt, nicht aber Psychotherapeuten ohne Medizinstudium, Psychologen oder Sozialarbeitern, die oft am engsten mit den Patienten, die sie behandeln und betreuen, verbunden sind", argumentiert Ots im Gespräch mit dem Standard. In der Schweiz etwa könnten auch Sozialarbeiter diese Akupunkturmethode längst zur Behandlung ihrer Klienten nach entsprechenden Schulungen einsetzen.

Erlaubte Stiche

"Auf der anderen Seite", sagt Ots, "dürfen an jeder Hausecke Tausende oft junger Menschen von Laien ohne jede medizinische Ausbildung gepierct oder tätowiert werden, was eine wesentliche schwerere Beeinträchtigung des Körpers nach sich zieht."

Stiche ins Ohr als Schmuck oder Modestatement ist nur durch die Verordnung 141 für das Piercen und Tätowieren durch Kosemetik (Schönheitspflege-)Gewerbetreibende des Wirtschaftsministeriums geregelt. Ausbildung ist keine erforderlich. Stiche ins Ohr als therapeutische Maßnahme hingegen sind klar medizinrechtlich geregelt. Sie dürfen nur von medizinischem Personal durchgeführt werden.

"Das ist eben der Punkt", sagt der Grazer Hautarzt Gerhard Leitinger von der steirischen Ärztekammer. Es gehe bei der Akupunktur um eine medizinische Behandlung und diese sei eben Ärzten vorbehalten. Auch die vorhergehende Diagnose müsse ärztliches Fachpersonal vornehmen, da hätten Laien - also Nicht-Mediziner - keinen Platz.

Pflaster als Alternative

Wiewohl er zugeben müsse, dass die rechtliche Situation tatsächlich "nicht befriedigend" sei.

Diese abstruse Gesetzeslage habe in Österreich jedenfalls dazu geführt, das bisher lediglich 300 Personen auf diese spezielle Akupunktur-Methode ausgebildet worden seien, im Vergleich zur Schweiz, wo es bereits 2800 Nada-Spezialisten gebe, sagt Ots.

In Österreich habe man sich jetzt damit beholfen, auf eine Alternative zurückzugreifen: Ein Magnetpflaster, das zwar nicht dieselbe Wirkung wie eine Akupunkturnadel besitze, dafür aber einen längeren Zeitraum auf der Haut getragen werden könne. Erste Langzeit-Erfahrungen mit dem Nadelersatz sind unter anderem Gegenstand eines Internationalen Nada-Kongresses am Wochenende bei den Grazer Minoriten. (Walter Müller, DER STANDARD, 19.9.2013)