Wir sind mitten in der Woche des Grundeinkommens, einer Initiative von meist linkskatholischen Organisationen, die mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdient, als sie erhält. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine kluge Idee, die wirtschaftliche und soziale Logik kombiniert und einst etwa auch vom Liberalen Forum, jetzt der Verbündete der Neos, vertreten wurde. Heute sind die Piraten die lautesten Verfechter.
Allerdings hat das Grundeinkommen ein Problem: Es funktioniert nicht. Es scheitert nicht nur an kurzfristigen politischen und finanziellen Hindernissen, die durch mehr politischen Willen überwunden werden können, wie seine Verfechter oft behaupten, sondern an grundlegenden theoretischen Schwächen. Aber als Sympathisant und gleichzeitig Kritiker des Grundeinkommens glaube ich, dass das Konzept eine intensivere Auseinandersetzung verdient, die nicht nur von ideologischen Positionen geprägt wird.
Die Vertreter des Grundeinkommens argumentieren, dass wir es uns heute leisten können, dass ein gewisser Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung nicht arbeitet, und wir ihm dennoch ein würdiges Leben ermöglichen sollen. Statt diese Menschen der Erniedrigung durch fragmentierte Sozialleistungen verschiedener Ämter auszusetzen, sollen sie einfach von einer Stelle einen fixen Betrag zum Leben erhalten, ohne darum betteln zu müssen. Der Wunsch, sein Leben durch Arbeit zu verbessern, würde dadurch nicht verlorengehen.
Hoher Grenzsteuersatz
Das erste Manko des Grundeinkommens hängt mit der Arbeitsökonomie zusammen. Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, dass jeder Bürger etwa 1.000 Euro im Monat zum Leben erhält, egal ob er arbeitet oder nicht. Aber was passiert, wenn er oder sie dazuverdient?
Wird der Zuschuss eins zu eins gestrichen, dann beträgt der Steuersatz für das Arbeitseinkommen 100 Prozent; es gibt dann gar keinen Anreiz zur Erwerbsbeschäftigung. Selbst wenn nur 50 Prozent für jeden dazuverdienten Euro abgezogen werden, ergibt sich ein sehr, sehr hoher Grenzsteuersatz, der schlecht und sogar normal bezahlte Arbeiten höchst unattraktiv macht - oder die Menschen in die Schwarzarbeit drängt.
Damit der Anreiz zum Arbeiten nicht verschwindet, müsste das Grundeinkommen selbst bei hohem Zuverdienst erhalten bleiben. Diesem Prinzip folgen Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe, die nicht ans Einkommen gekoppelt sind. Doch diese sind, gerade weil sie jeder erhält, sehr teuer.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen, bei dem Erwachsene 1.000 Euro und Kinder 800 Euro im Monat erhalten, würde bei acht Millionen Österreichern rund 80 Milliarden Euro kosten, das ist mehr als das gesamte Bundesbudget. Selbst wenn man die Basispensionen abzieht, die ja dadurch abgedeckt werden würden, wären die Summen weiterhin riesig.
Um das zu finanzieren, müssten die Steuern auf Einkommen und Vermögen massiv steigen. Auch das würde den Anreiz zum Arbeiten reduzieren.
Aus diesem Dilemma kommt kein Modell für ein Grundeinkommen heraus. Damit es finanzierbar ist, muss es auf die wirklich Bedürftigen beschränkt sein; doch diese dürfen nicht den Anreiz verlieren, durch eigene Leistung weniger bedürftig zu werden. Das aber ist bei hohen impliziten Steuersätzen unvermeidbar. Das ist die Quadratur des Kreises.
Das Arbeiten verlernen
Das zweite Manko ist soziologisch. Es stimmt, dass in der Theorie die große Mehrheit lieber arbeitet als das Leben lang untätig ist. Aber das gilt nicht für jeden und nicht immer in der Praxis. Wenn der Staat ohne jede Auflage genug zum Leben zahlt, gibt es nur noch wenig Grund, schlecht bezahlte und meist frustrierende Jobs anzunehmen.
Dann aber züchtet man eine ganze Generation von Menschen heran, die das Arbeiten verlernen oder es gar nie lernen - weil sie die Schule nicht beenden und keinerlei Qualifikationen erwerben. Und sie lernen auch sonst nicht, ihr Leben zu meistern.
Eine solche arbeitslose Unterschicht ist eine Katastrophe für die Gesellschaft. Die Menschen darin neigen zu Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, Depressionen, Gewalt und zerfallenden Familien. Die meisten werden auch später nicht mehr arbeiten wollen und können.
Es ist schlimm genug, dass die hohe Arbeitslosigkeit in Teilen Europas solche gesellschaftliche Missstände mit sich bringt. Man muss sie nicht noch durch gut gemeinte, aber falsch konzipierte Sozialprogramme fördern.
Zu viele ideologische Argumente
Es ist schade, dass die Befürworter des Grundeinkommens diese Probleme nicht stärker ansprechen, sondern sie mit meist ideologischen Argumenten abtun.
Auch das jetzige, weniger großzügige Sozialsystem weist manche dieser Schwächen auf - gerade die Invaliditätspension ist für viele der einfache, aber für den Einzelnen oft auch schädliche Ausweg aus einer unbefriedigenden Arbeitssituation, was die Gesellschaft sehr, sehr teuer kommt. Die Eindämmung dieser Leistung durch die jüngsten Pensionsreformen war daher zwingend.
Die neue bedarfsorientierte Mindestsicherung erfüllt dafür manche der Forderungen der Grundeinkommen-Initiative. Aber auch sie macht es ganz bewusst dem Einzelnen nicht zu einfach, an diese Leistung heranzukommen - mit dem Effekt, dass sie gerade auf dem Land wenig in Anspruch genommen wird.
Das ist in vielen Einzelfällen schmerzhaft, herabwürdigend und ungerecht. Aber wenn man sich der Schwächen des bedingungslosen Grundeinkommens bewusst wird, ist es klar, dass dies keine Willkür ist, sondern unvermeidbar. (Eric Frey, derStandard.at, 18.9.2013)