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Archivbild des 55-jährigen Alois H., der drei Polizisten und einen Sanitäter tötete.

Foto: apa/repro paul plutsch

Der Mann wurde in der Nacht auf Mittwoch tot aufgefunden.

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Mit diesem Fahrzeug durchbrach der 55-Jährige eine Straßensperre bei Annaberg im Bezirk Lilienfeld.

Foto: APA/LPD NÖ

St. Pölten/Großpriel - Der 55-jährige Alois H., dessen verkohlte Leiche bei der Durchsuchung seines Anwesens bei Melk am frühen Dienstagabend gefunden wurde, starb durch einen Kopfschuss. Das sagte die Leiterin der Staatsanwaltschaft St. Pölten, Michaela Schnell. "Wir gehen derzeit davon aus, dass es Selbstmord war", erklärte die Behördenleiterin.

Die Obduktion sei noch im Gang. Dabei geht es auch darum zu beweisen, dass es sich bei der Leiche tatsächlich um jene des mutmaßlichen Wilderers handelt, der drei Polizisten und einen Rettungssanitäter erschossen hat. Die Ermittler sprechen in diesem Zusammenhang vorläufig von "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit". Die Ergebnisse des DNA-Vergleichs werden voraussichtlich erst in einigen Tagen vorliegen.

Der Leichnam des 55-jährigen Alois H. ist von dessen Angehörigen identifiziert worden. Dementsprechende Medienberichte bestätigte Schnell. Der genaue Zustand der verbrannten sterblichen Überreste des mutmaßlichen Wilderers war Schnell nicht bekannt, sie verwies in diesem Zusammenhang auf die noch ausstehende Obduktion, welche die Identität des durch einen Kopfschuss verstorbenen Mannes dann endgültig klären soll.

"Umfangreiches Waffenarsenal im dreistelligen Bereich"

Bei den auf dem Anwesen des Transportunternehmers sichergestellten Waffen handelt es sich laut Schnell um zahlreiche Lang - sowie um Faustfeuerwaffen. Zu deren genauer Zahl machte die Leiterin der Staatsanwaltschaft keine Angaben. Überprüft wird ihren Angaben zufolge deren Herkunft, "da im Raum steht, dass nicht alle legal erworben wurden", so Schnell. Polizeisprecher Johann Baumschlager wollte vorläufig keine Angaben zu dem Waffenarsenal machen und begründete das mit kriminaltaktischen Überlegungen.

In einem ORF-Interview sagte der stellvertretende Cobra-Kommandant Oberst Walter Weninger am Mittwochnachmittag, dass im Keller von Alois H. ein "umfangreiches Waffenarsenal im dreistelligen Bereich" sichergestellt wurde. Der Mann dürfte somit mehr als hundert Waffen gehortet haben. Im Zuge des Einsatzes hatte er laut Weninger "von vielen Waffen Gebrauch gemacht".

Verletzter Polizist auf dem Weg der Besserung

Jener Polizist, der bei dem Einsatz am Dienstag verletzt worden war, befindet sich auf dem Weg der Besserung, teilte Polizeisprecher Johann Baumschlager am Mittwoch mit. Der Mann war mit einem Rettungssanitäter mitgefahren, als der Täter das Einsatzfahrzeug unter Beschuss nahm. Der Sanitäter starb, der Polizist wurde von Splittern der zerschossenen Windschutzscheibe leicht verletzt, sagte Baumschlager. Er werde derzeit psychologisch betreut.

Am Tag nach dem Amoklauf des 55-jährigen mutmaßlichen Wildereres Alois H. in Niederösterreich sind weiterhin viele Fragen offen. Der Mann hatte sich nach der Flucht vor der Polizei auf seinem Anwesen in Großpriel bei Melk verschanzt, wo ihn eine Hundertschaft an Einsatzkräften stundenlang belagerte. Insgesamt standen 135 Beamte der Cobra und 200 Exekutivkräfte im Einsatz. Zudem wurden zwei Schützen- und einen Pionierpanzer des Bundesheers angefordert. Der schwer bewaffnete Mann hatte Munition verwendet, die schusssichere Westen durchdrungen hätte. Unklar war zunächst, ob er auch im Besitz von Sprengstoff war.

Schwieriger Zugriff

Nachdem am Dienstag gegen 17.30 Uhr ein einzelner Schuss aus dem Bauernhof zu hören war, begannen die Beamten um 18.20 Uhr schrittweise mit der Erstürmung des Geländes. Zunächst fuhren die drei gepanzerte Bundesheer-Fahrzeuge auf den Vierkanthof vor, in den Schützen- und Pionierpanzern aus der Kaserne Melk befanden sich Cobra-Beamte, die das weitläufige Anwesen nach dem Verdächtigen durchsuchten.

Verwinkeltes Gebäude

In den darauffolgenden Stunden durchkämmten die Einsatzkräfte das gesamte Gebäude. Laut Polizeiangaben wurden keine gefährlichen Gegenstände oder Sprengstoffe gefunden. Die Durchsuchung selbst gestaltete sich äußerst schwierig: Das zweigeschoßig Gebäude sei sehr verwinkelt, die zahlreichen Räumen vollgeräumt gewesen, sagte Polizeisprecher Roland Scherscher bei einer Pressekonferenz in Melk. Die Sicherheit der Beamten habe oberste Priorität gehabt, entsprechend lang habe es gedauert, bis der Einsatz abgeschlossen werden konnte.

Verbrannte Leiche in verstecktem Raum

Gegen Mitternacht entdeckten die Einsatzkräfte schließlich in einem versteckten Raum im Keller eine stark verbrannte Leiche. Der Raum sei von außen nicht sichtbar gewesen, die Beamten entdeckten aber eine Wand, die sich wegdrücken ließ. "Die Einsatzkräfte haben die Tür geöffnet und wollten in den Raum eindringen, dort hat es aber gebrannt", so Scherscher. 

Feuer gelegt

Das Feuer dürfte gelegt worden sein und bereits längere Zeit gebrannt haben, der nach dem Öffnen zuströmende Sauerstoff habe die Flammen zusätzlich angefacht. Als der Brand gelöscht war, sei eine verbrannte männliche Leiche entdeckt worden. Es dürfte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den 55-Jährigen handeln.

Möglicherweise frühere Straftaten

Welchem Zweck der verborgene Raum diente, konnte die Polizei noch nicht sagen. Ob und welche Waffen gefunden wurden, war vorerst ebenfalls unbekannt. Es seien jedoch Hinweise auf weitere Straftaten des Mannes gefunden worden. "Es wurden Gegenstände im Haus sichergestellt, die auf vorangegangene Straftaten schließen lassen", sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch.

Spurensicherung im Gang

Mittwochfrüh waren Ermittler weiterhin mit der Spurensicherung auf dem Anwesen beschäftigt. Die Polizei errichtete direkt bei der Einfahrt zum Hof eine Sperre, auf Anordnung der Staatsanwaltschaft durften die Dutzenden Medienvertreter, die vor dem Vierkanthof Stellung bezogen hatten, das Areal nicht betreten.

Einsatz wird evaluiert

Eine Evaluierung des Polizeieinsatzes kündigte am Mittwoch der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, an. Man habe die Gefährlichkeit des Täters nicht unterschätzt. Da in der Gegend bereits ein Mordversuch auf einen Jäger verübt worden war, sei auf das Einsatzkommando Cobra zurückgegriffen worden, sagte er im Ö1-"Morgenjournal". "Es hat sich gezeigt, dass diese Einschätzung richtig war." Der Verdächtige habe kein typisches Täterverhalten gezeigt, indem er sich nach dem ersten Angriff vorerst nicht vom Tatort entfernt habe.

Bei der Evaluierung gehe es aber nicht nur um etwaige Fehler, sondern auch darum, was trotz der tragischen Ereignisse besonders gut gelaufen sei. Erkenntnisse daraus wolle man in die Ausbildung einfließen lassen.

Schusswechsel bei Straßensperre

Seinen Ausgang nahm das Blutbad in der Nähe von Annaberg im Bezirk Lilienfeld: Nach jahrelangen Wildereidelikten in der Gegend führte die Polizei dort eine nächtliche Überwachungsaktion durch, dafür wurden auch Straßensperren errichtet. Da von einer Bewaffnung der Wilderer auszugehen war, wurden auch Beamte der Sondereinheit Cobra hinzugezogen. Nach einem Hinweis versuchten zwei Cobra-Beamte, den Geländewagen eines Verdächtigen zu stoppen. 

Sanitäter aus Hinterhalt erschossen

Der Wagen durchbrach die Straßensperre an der L101, der Lenker flüchtete Richtung Äußere Schmelz. "Dort hat der Täter plötzlich und unvermittelt das Feuer eröffnet", sagte Polizeisprecher Scherscher. Ein Polizist wurde getroffen, er verstarb später im Landeskrankenhaus St. Pölten. Aus einem Hinterhalt schoss der Täter dann auch auf einen zu Hilfe eilenden Rettungswagen des Roten Kreuzes. Ein Sanitäter und ein Polizist wurden verletzt, der Rotkreuz-Mitarbeiter starb.

Flucht zu Fuß

Der Schütze flüchtete zu Fuß in Richtung Lassinghof, wo er erneut auf eine Straßensperre stieß. Er erschoss einen weiteren Polizisten, kaperte ein Polizeiauto mit einem Beamten als Geisel und raste zu seinem Wohnhaus in der Ortschaft Großpriel. Ein Großaufgebot an Einsatzkräften umstellte seit Dienstagfrüh den auf einer Anhöhe gelegenen Vierkanthof, die Umgebung wurde großräumig abgeriegelt. Am Nachmittag fanden Beamte die Geisel tot im Einsatzfahrzeug, das in einer Scheune abgestellt worden war. Die Leiche des Streifenpolizisten wurde mithilfe von Panzerfahrzeugen geborgen.

Angehörige betreut

Alle vier Opfer des Amokläufers waren Familienväter: Aufseiten der Polizei starben ein Revierinspektor, der für die Cobra im Einsatz stand, sowie zwei Polizisten, die als Gruppeninspektoren im Bezirk Scheibbs tätig waren. Der getötete Rotkreuz-Rettungssanitäter stand seit 32 Jahren im Dienst. Angehörige und Kollegen der Toten wurden noch in der Nacht von Kriseninterventionsteams betreut.

"In der Geschichte des Roten Kreuzes hat es so etwas noch nicht gegeben", sagte der Vizepräsident des Roten Kreuzes Niederösterreich, Josef Schmoll. "Das war eigentlich ein Einsatz, um Leben zu retten." (APA/red, derStandard.at, 18.9.2013)