Eleganz und Präzision: Karl-Markus Gauß.

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Salzburg - Zuletzt veröffentlichte Karl-Markus Gauß vor allem persönliche Chroniken sowie Reisereportagen von den Rändern Europas und deren Minderheiten. Aber auch im Fremden versucht der elegante Stilist ein besseres Bild von sich - respektive uns - zu finden.

In seinem neuesten Buch Das Erste, was ich sah (Zsolnay) wird es noch persönlicher, wenn der Essayist und Kulturkritiker Erinnerungen an die kleine Welt seiner frühen Kindheit (bis zum achten Lebensjahr) präsentiert. Dass die Erinnerung trügerisch sein kann, weiß Gauß, er vermeidet aber auch den - ansonsten in seinen Texten sehr ausgeprägten - Hang, Ereignisse im kulturhistorischen, politischen und psychosozialen Kontext zu reflektieren. Stattdessen setzt der Schriftsteller auf sinnliche Eindrücke: die Stimmen, Bilder, Dinge, Farben und Gerüche.

Ort der Handlung ist die Salzburger Vorstadt, das Aiglhof-Viertel, wohin die donauschwäbische Familie des 1954 geborenen Karl-Markus nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Batschka (in der multiethnischen Vojvodina) ausgewandert war.

Viele deutschsprachige Minderheiten aus Südost- und Osteuropa fanden in der Nachkriegszeit den Weg nach Österreich, auch in der näheren Umgebung von Gauß lebten Flüchtlinge mit ihrem eigenen, dialektal gefärbten Deutsch - die deswegen nicht selten von den alteingesessenen Österreichern verlacht oder diskriminiert wurden. Eine weitere prägende Erinnerung sind die unzähligen Kriegsinvaliden. Überhaupt war damals der Krieg überall noch sehr präsent: etwa die Radiostimme mit den Suchmeldungen von Vermissten. Gauß lässt in diesen Memoiren eine ganze Reihe von heute längst vergessenen und nicht mehr existenten Produkten, beispielsweise das Cibazol-Wundpuder, wieder ins Bewusstsein treten.

Stürze mit dem Tretroller oder die ersten erotischen Tapp- und Tastversuche gehören natürlich ebenso dazu wie der Hass auf autoritäre Erwachsene und Ungustln, den der altersmilde Gauß aber gar nicht mehr kennt. Heute liest Karl-Markus Gauß erstmals aus dem Buch und spricht danach mit Tomas Friedmann. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD, 18.9.2013)