Bild nicht mehr verfügbar.

Ehepaar unter Druck: Hannes (P. Beck), Emma (H. Binder).

Foto: APA

Wien - Die große Regie-Geste ist es nicht, die Georg Schmiedleitner mit Hans Falladas Arbeitslosen- und Ehedrama Kleiner Mann - was nun? am Volkstheater hinterlassen hat. Aber das mit der letzten Finanzkrise wieder in die obersten Schubladen der Theaterdramaturgien aufgerückte Stück (ursprünglich ein Roman; hier in einer hauseigenen Fassung von Susanne Abbrederis und Schmiedleitner) bleibt über zweidreiviertel Stunden konzentriert und wirbt emphatisch um seine Protagonisten.

Zwei junge Leute heiraten in Krisenzeiten. Johannes Pinneberg (Patrick O. Beck) und Emma Mörschel (Hanna Binder) sind verliebt und wollen sich zusammentun. Jobs sind rar, die Gehälter sinken, ein Baby ist unterwegs. In dieses mit aller Rechtschaffenheit versuchte Glück braust der Wind der Weltwirtschaftskrise. Der scharfe Ton überheblicher Arbeitgeber, die mit tänzelnden Hüften (Rainer Frieb) um das nächste Abbauopfer herumschleichen, ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig.

Die anthrazitfarbene Cinemascope-Bühne (Stefan Brandtmayr), auf der unscharfe Schwarzweiß-Filmbilder die Tristesse der 1930er-Jahre illustrieren, beginnt sich alsbald wie eine Abwärtsspirale zu drehen. Dort kommen durch fünf gleich graue, kafkaeske Türen die Widersacher gestolpert. Die Zimmer der Mietshäuser, die bezogen werden, werden von Mal zu Mal enger, das Haushaltsbudget wird knapper und der Kampf um eine "Stellung laut Tarifvertrag" immer härter:

"Manchmal möchte man platzen, wie das eingerichtet ist in der Welt", gesteht sich Pinneberg schließlich ein. Dabei sind ihm die Durchhalteparolen ins Gesicht geschrieben. "Das nächste Mal wähle ich die Kommunisten!" Beck kehrt dabei das Brave, das Ungeschickte eines in die Enge getriebenen Mannes hervor, auch das Duckmäuserische eines Ängstlichen.

Die Volkstheater-Fassung achtet den Berliner Tonfall, auch den historischen der Weimarer Republik. Sie befestigt gemeinsam mit der Inszenierung den zeitgeschichtlichen Kontext, ohne dabei kategorisch oder extra patiniert zu wirken. Das ist zum Gutteil auch der tragenden Musik der Sofa Surfers anzurechnen. Wolfgang Schlögel treibt wie ein stummer Zeuge der Zeit die weichen, erschöpft-melancholischen Klänge mit seinem Akkordeon über die Bühne, zwischen Hanns Eisler und Element of Crime.

Als Zaungäste dieses drohenden Untergangs finden sich Anverwandte und Kollegen ein: Günter Franzmeier macht aus Jachmann einen schmierigen Unterweltboss mit Herz (wenn auch einem unmoralischen); Susa Meyer räkelt sich geschäftstüchtig als eisig kalte Mutti Pinneberg. Schön zauselig interpretierte Annette Isabella Holzmann die zu verheiratende Arbeitergebertochter.

Die Inszenierung bleibt konzentriert bis zum Schluss, wenn auch das letzte Viertel (das interessanteste) ob der vielen brav zu Ende ausgespielten Details ein wenig erlahmen ließ. Ganz am Ende schnürt Schmiedleitner seine Fracht noch einmal auf, erzeugt einen Moment der Auflösung, in dem sich die unmittelbare Realität zurückzieht und einen klugen, doppeldeutigen Schluss folgen lässt. Viel Applaus. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 17.9.2013)