Margit: Es gab eine Sitzung von grenzüberschreitenden NGOs, bei der ich zum ersten Mal von "milena" gehört habe. Ich fand die Idee gut. Wir haben ja alle dieselben Probleme - wie bringt man Informationen über Frauenthemen in die Medien und wie kommt man zu Informationen ...
STANDARD: Gibt es ein konkretes Beispiel aus Ihrer Praxis?
Margit: Ich habe für eine der größten ungarischen Tageszeitungen gearbeitet, und ich wollte eine Geschichte über Politikerinnen in europäischen Parlamenten schreiben. Ähnlich war es bei einer Geschichte über Roma-Frauen, die in beängstigendem Ausmaß der Gewalt ihrer Ehemänner ausgesetzt sind ... hier waren wiederum die Expertinnen-Informationen spärlich.
STANDARD: Das klingt, als würden Sie nicht recht glauben, dass der geplante Informationspool funktionieren wird ...
Margit: Ich bin nur skeptisch. Man muss wissen, dass es sich Wissenschafterinnen in den neuen EU-Ländern oft gar nicht leisten können, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse gratis ins Netz zu stellen. Wissenschafter in den ehemaligen Ostländern haben oft mehrere Jobs. Doch grundsätzlich bin ich sehr für Vernetzung.
STANDARD: Sie sind Soziologin, spezialisiert auf Medienstudien, und Feministin. Wie beurteilen Sie die ungarischen Medien?
Margit: Es ist interessant, dass die Frauenzeitschriften in Ungarn sehr stark von Frauen gelesen werden, während die Tageszeitungen, die Frauenthemen ignorieren, über immer geringere weibliche Leserzahlen klagen. Das heißt, dass es einen Bedarf an Frauenthemen gibt. Nur leider ist die Struktur falsch. Die Frauenzeitschriften sind sehr traditionell. Es ist kaum etwas für die moderne Frau in ihrem Arbeitsalltag und mit ihren Karriereproblemen dabei.
STANDARD: Wenn aber die traditionellen Frauenzeitschriften genügend Leserinnen haben, lässt das den Schluss zu, dass ungarische Frauen gar keine anderen Themen wollen?.
Margit: Ich glaube eher, das ist ein Mangel an Alternativen. Ich habe viele Befragungen gemacht mit immer demselben Ausgang: Frauen wollen mehr lesen über Karrieremöglichkeiten, Gesundheit, Gleichberechtigung. Dass das noch nicht Common Sense in Ungarn ist, mag auch an den Frauenorganisationen selbst liegen. Die müssen einfach bessere PR machen.
STANDARD: Sind die ehemaligen Ostblockländer in Sachen Feminismus weiter vorne oder weiter hinten als der so genannte Westen?
Margit: Es gab keinen Feminismus im Sozialismus. Alle Frauenorganisationen wurden verboten. Die Frauen wurden zwar den Männern gleichgestellt, aber alles wurde dem Wohl des Sozialismus untergeordnet. Es war jedem bei Strafe verboten, nicht zu arbeiten. Frauen hatten also gar nicht die Chance zu wählen, ob sie bei ihren Babys daheim bleiben wollen. Die Einkommensunterschiede bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation betrugen bis zu 30 Prozent. Gesellschaftlich blieben die Strukturen konservativ: Die Frauen machten zugleich die Hausarbeit, kümmerten sich um die Kinder. Das wurde nach der Wende langsam besser - und vor einigen Jahren gab es wieder einen konservativen Backlash unter der Regierung Orban.
STANDARD: Wird mit dem EU-Beitritt alles besser?