Ein Gambit, so weiß auch der schachspielende Laie, ist, wenn man zu Beginn der Partie einen Bauern opfert, um eine taktisch bessere Position zu erhalten. Es ist das, was die amerikanische Regierung versucht hat, indem sie über ihren eigenen Schatten sprang und Nordkorea nach monatelangem Zögern verklausuliert eine Sicherheitsgarantie in Aussicht gestellt hat. Diesen "Bauern" hat Pjöngjang genommen. Das letzte stalinistische Regime der Welt wünscht nichts mehr als eine Art Nichtangriffserklärung der USA, eine politische wie wirtschaftliche Bestandsgarantie von der einzigen Macht, durch die es sich bedroht fühlt.

Die Partie um Nordkoreas Atomwaffenprogramm folgt jetzt dem Kalkül der US-Diplomaten: Pjöngjang hat mit dem nächsten Zug multilaterale Verhandlungen zur Beilegung der Krise akzeptiert. Es ist ein taktischer Gewinn für die USA und - sollte Nordkoreas Führung bei ihrer Zusage auch bleiben - die mögliche Vorentscheidung für den Gewinn. Vom runden Tisch mit gleich fünf Verhandlungspartnern (China, Russland, Japan, Südkorea, USA), die unterschiedliche Beziehungen zu Pjöngjang haben, aber im Prinzip alles dasselbe wollen, nämlich die Eindämmung seiner schwer berechenbaren Politik, können Nordkoreas Unterhändler nicht so leicht aufstehen.

In multilateralen Verhandlungen wird die Bush-Regierung das Korsett für die Sicherheitsgarantie festschnüren wollen, die sie Nordkorea offeriert. Es wird ein hartes Kontrollregime sein, das in jedem Fall die nukleare Abrüstung verlangt und Wirtschaftshilfe nur gegen nachprüfbare Leistungen gewährt. Ob Pjöngjang eine solche Partie bis zum Ende mitspielt, hängt vom Geschick der US-Regierung ab. Sie muss ihre Mitverhandler an der Stange halten, aber ebenso ihren internen Streit begrenzen: Nach wie vor wollen die einen mit Kim Jong-il auf dem Schachbrett Diplomatie und die anderen lieber Militär spielen.(DER STANDARD, Printausgabe 2./3.8.2003)