Im Vergleich zu vielen anderen Österreichern bereitet mir die elektronische Überwachungspraxis der NSA und anderer Geheimdienste relativ wenig Unbehagen.
Anders als Frank Stronach ist es mir zwar nicht egal, ob meine Telefongespräche abgehört werden (nach jetzigem Wissensstand geschieht das nicht). Und ich halte es auch für besorgniserregend, wenn die NSA auf ihrer Jagd nach Daten rechtliche und moralische Grenzen überschreitet oder von den US-Gerichten selbst nicht ausreichend überwacht wird.
Aber im Prinzip halte ich es in einem Rechtsstaat (und ich rede hier nicht von der DDR) besser, wenn die Behörden etwas zu viel wissen als zu wenig. Das schränkt falsche Verdächtigungen und Willkür ein.
Besser informierter Staat ist fairer
Eine der größten Fortschritte zu mehr Gerechtigkeit war die DNA-Analyse – weniger, weil damit Kriminelle überführt, sondern vor allem, weil durch sie Unschuldige entlastet werden. Wenn die Polizei zu wenig Spuren hat, dann wird jeder verdächtigt, der in der Nähe war oder vielleicht die falsche Hautfarbe hat. Dann regiert das Vorurteil auf der Polizeistation und im Gerichtssaal.
Auch nach dem 11. September 2011 war es ein Glück, dass die ausländischen Attentäter durch Videoaufzeichnungen und elektronische Spuren so rasch identifiziert werden konnten. Dadurch wurde eine Hexenjagd auf amerikanische Muslime weitgehend vermieden.
Ein gut informierter Staat kann bei Terror- und Verbrechensbekämpfung nicht nur effizienter, sondern auch fairer vorgehen – unter der Voraussetzung, dass individuelle Daten nur bei dringendem Verdacht ausgewertet werden und die demokratischen Kontrollen gegen Missbrauch funktionieren.
Ich wäre sehr froh, wenn die heimische Polizei ein klareres Bild über Mitgliedschaft und Tätigkeit heimischer Drogenbanden hätte – durch welche Mittel auch immer. Dann müsste nicht jeder Schwarze in der U-Bahn fürchten, verdächtigt zu werden.
Problematisch ist es, wenn der Staat zwar viele, aber lückenhafte, unzuverlässige und auch falsche Informationen hat. Dann geraten erst recht Unschuldige in die Mühlen der Justiz. Dagegen hilft aber in erster Linie eine bessere Datensuche und intelligentere Auswertung, nicht ein völliger Verzicht (der angesichts der technischen Möglichkeiten nicht mehr realistisch ist).
Unheimliches Wissen im Internet
Ähnlich geht es mir mit der Überwachung durch private Internet-Konzerne, der wir alle ausgesetzt sind, die im Web unterwegs sind.
Natürlich ist es manchmal unheimlich, was Google, Amazon, Facebook & Co über uns alles wissen. Aber es ist auch sehr angenehm, wenn die Google-Suche nach dem ersten Schlagwort gleich richtig ergänzt wird, wenn mich die Amazon-Empfehlungen über Bücher-Neuerscheinungen wirklich interessieren, sogar wenn die Werbung, die ich erhalte, Produkte betrifft, die ich gerne kaufe.
Ärgerlich wird es dort, wo die Konzerne zu wissen glauben, was ich will, es aber nicht wissen. Das ist auch in zwischenmenschlichen Beziehungen besonders irritierend.
Ich brauche keine Abdeckhaube mehr!
Vor einigen Wochen habe ich für einen neuen Griller eine Abdeckhaube gesucht – unter anderem auf amazon.de und dann auf geizhals.at. Gekauft habe ich sie dann bei Köck in Wien-Penzing. Leider hat der eigentliche Kauf keine digitalen Spuren überlassen – keine Videoüberwachung im Geschäft, keine Registrierung meiner Bestellung oder der Bezahlung.
Deshalb geht die Internet-Welt immer noch davon aus, dass ich eine solche Abdeckhaube suche – und überschüttet mich noch Wochen später mit entsprechenden Inseraten. Egal, ob ich eine Zeitungs- oder Wetterwebseite aufmache, irgendwo gibt es ein Werbefenster, in dem mir genau die Grillabdeckhaube entgegen lacht, die ich doch längst habe. Es ist zum wahnsinnig werden.
Also, Jeff Bezos, Larry Page und Mark Zuckerberg, hört mir bitte zu: Ich habe die Abdeckhaube schon gekauft, ich brauche keine zweite, ihr könnt euch diese Werbung sparen. Denkt lieber darüber nach, was ich als nächstes kaufen will.
Bevor ihr mir meine Wünsche von den Augen ablesen könnt, müsst ihr noch sehr viel lernen. (Eric Frey, derStandard.at, 15.9.2013)