Verteidigt seinen Punk: Sänger Dirk Jora.

Foto: Mirja Nicolussi

1979 gründete sich in Hamburg die zweifellos kompromissloseste Politpunk-Combo Deutschlands: Slime spielte ihre ersten Konzerte in Jugendzentren und Jugendstrafanstalten und schafften es, schon mit der ersten Single Wir wollen keine Bullenschweine (1980) zum Staatsfeind Nummer eins zu werden. Keine andere Band war in ihren Texten radikaler als das Quintett: zornige Parolen gegen den Staat, die Polizei, Faschismus, Krieg und Kleinbürgerlichkeit. Musikalisch hatten die Anarchisten aber weniger Sinn für Fortschritt oder Veränderung.

Daniel Ryser erzählt in seiner Bandbiografie Slime - Deutschland muss sterben (Heyne 2013) auch von handgreiflichen Auseinandersetzungen über die Deutungshoheit des Begriffs Punk. Zugleich ist das Buch eine alternative Geschichte der alten Bundesrepublik Deutschland:

Slime agitierte vor allem auf linken Demos und in besetzten Häusern - Sänger Dirk "Dicken" Jora lebte selbst in der Hafenstraße und scheute auch nicht Straßenkämpfe mit Neonazis oder Staatsmacht. Der Buchtitel leitet sich von einem Slime-Lied ab: Deutschland muss sterben (... damit wir leben können) ist eine Reaktion auf die nationalistisch-martialische Parole "Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen" auf dem Hamburger Kriegerdenkmal am Dammtorbahnhof. Erst 2000 bestätigten die Richter des Bundesverfassungsgerichts, dass es sich beim Song um "Kunst im Sinne des Grundrechts" handelt - argumentiert wurde das mit dem Verweis auf Heinrich Heines Die schlesischen Weber.

Eine andere Facette der Slime-Geschichte ist Joras Vorliebe für den FC St. Pauli und den Aufstieg des Vereins zum Kultteam mit Haltung und antirassistischen Fans. Jora, Gitarrist Michael "Elf" Mayer, Gitarrist Christian Mevs spielen jetzt zweimal in Österreich ein Akustikset, gemeinsam mit Autor Ryser lesen sie aus dem Buch. (dog, DER STANDARD, 14./15.9.2013)