Prärie à la Ostfrankreich: Die "Westernstädte" sind mittelalterlich und die Tafelberge grün um Baume-les-Messieurs.

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Am unkompliziertesten ist die Anreise mit dem eigenen Auto oder Mietwagen via Genf. Alternativ: Flug von Wien nach Lyon nonstop mit Austrian oder mit einem Zwischenstopp zum Beispiel mit Swiss oder Lufthansa. Weiter mit dem Zug nach Lons-Le-Saunier - am besten per TGV in knapp eineinhalb Stunden. Ein Taxi für den 20-minütigen Transfer zum Reiterhof ist relativ teuer (rund 80 Euro), daher am besten vorher die Abholung vom Bahnhof vereinbaren. Kontakt: Écuries des quatre lacs, 39130 Le Frasnois, Tel. 0033/686-92 01 52. Eine zweitägige Wochenendtour mit einer Übernachtung kostet rund 230 Euro.

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Jura-Tourismus gibt eine spezielle Broschüre für Wanderreiter mit zahlreichen Adressen heraus. Kontakt: Jura Tourisme, Tel. 0033/820-39 39 00, www.jura-tourism.com oder www.crtefranchecomte.com. Unter derselben Adresse finden auch jene hilfreiche Infos, die nicht mit dem Pferd unterwegs sein wollen. 260 Kilometer ausgeschilderte Wanderwege führen hier durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft, Radfahrer können auf ein beachtliches Wegenetz mit rund 1500 Kilometern Länge zurückgreifen. Besonders lohnend ist etwa der Jura-Abschnitt der Route Eurovelo 6, die von Nantes nach Budapest führt.

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Didier Méjard mustert die acht Reiter. "Du nimmst Océane", sagt er und zeigt auf die Box mit dem Apfelschimmel. Im Stall der Écurie des quatre lacs auf einer Hochebene im französischen Juragebirge nahe der Schweizer Grenze teilt der Chef des Reiterhofs die Pferde persönlich zu. "Sie sind keine Ferraris und haben nicht einmal Allradantrieb", erklärt er mit einem Schmunzeln. Aber sie seien ausdauernd und trittsicher, und genau darauf käme es an beim Wanderreiten im Gebirge.

Océane ist eine Vollblutaraberstute und trägt ein meerblaues Halfter. "Sie hat Feuer", warnt Didier. Der Mann mit dem breitkrempigen Lederhut, dem karierten Hemd und der ledernen Cowboyhose ist wortkarg, aber im Umgang mit Pferden eloquent. "Das Halfter bleibt immer unter der Trense" , erklärt er und zeigt einen speziellen Knoten, mit dem der Führstrick am Hals befestigt wird. Unterwegs ist jeder für sein Pferd verantwortlich, muss selber trensen, satteln und es versorgen. "Zügel in eine Hand und immer schön locker lassen", sagt Didier, mehr Einführung gibt es nicht. Alle sitzen auf, es geht los.

Das Klackklack der Hufe auf dem Asphalt ist bald verklungen. Der Hof und das Dorf Le Frasnois bleiben zurück, die Seenregion Les quatres lacs breitet sich vor den Reitern aus. Didier reitet auf Monsieur Marcel voran, elegant setzt der Schimmel die Hufe. Edle Rasse, gute Schule. Monsieur Marcel ist ein stolzer Camargue-Hengst mit wilder Mähne und kurzem Hals. An zweiter Stelle folgt Océane. Hinter ihr drängen munter die hübsche Jeanette, eine falbfarbene Henson-Stute, und die robuste Myrtille, die sich auch für Anfänger gut eignet.

Im Sofa zu den Seen

Im Schritttempo reitet die Gruppe am Lac de Narlay, den beiden Maclu-Seen und am Schilfufer des Lac d'Ilay entlang - ein herrliches Gelände. Océanes Vielseitigkeitssattel ist bequem, die Fellauflage polstert wie ein Sofa. Als es zu tröpfeln beginnt, holen die Reiter den grünen Poncho hervor, der hinter dem Sattel eingerollt ist. Auf dem Waldweg bilden sich erste Regenlacken, und schnell zeigt sich, dass Océane keine Tochter des Meeres ist. Um Wasser macht sie einen großen Bogen, auch an der Furt des Flüsschen Hérisson zögert sie. Ein Zittern geht durch ihre Ohren. Dann folgt sie tapfer Monsieur Marcel und stampft durch den Fluss.

Lok-Ruf an die Reiter

Wenn Didier einen Gang zulegen will, hebt er den rechten Arm und macht eine Bewegung, die an das Öffnen von Ventilen einer alten Lokomotive erinnert. "Macht Dampf" soll das Zeichen heißen, und schon traben die Pferde. Erst am Wasserfall Cascade du Hérisson hält er wieder an. Im freien Fall stürzt der Fluss über einen Kalkfelsen und ergießt sich tosend in ein klares Becken. Ein Galoppsprung, und Monsieur Marcel steht im Wasser, das ihm bis über die Sprunggelenke reicht. Océane stockt erneut, die Ohren wedeln, doch sie folgt schließlich den anderen.

Am Abend wird im Quartier die Route für den nächsten Tag besprochen. Der 30-Kilometer-Ritt führt durch das Hérisson-Tal und die Weingärten von Lavigny, eine äußerst abwechslungsreiche Gegend. Didier kennt sie wie seine Westentasche. Seit 1993 bietet er im Département Jura Wanderreiten an, meist mehrtägige Touren für mindestens drei Reiter, maximal vierzehn, auch im Winter. Die Unterbringung erfolgt in Mehrbettquartieren, auf Wunsch in Hotels. Mit einem Reitwegenetz von 1800 Kilometern und den passenden Quartieren hat sich dieser Teil der Region Franche-Comté längst einen Namen unter den reitenden Wanderern gemacht.

Am nächsten Tag lacht wieder die Sonne. Es geht bergauf durch einen urwaldähnlichen Wald aus Buchen, Haselnussbäumen, Kiefern und Eiben, ein Höhenunterschied von 500 Metern ist zu bewältigen. Hier bewährt sich, dass Didiers Araber und Hensons auf einer Gebirgskoppel leben. Sie sind es gewohnt, sich die Wege selbst zu suchen, die auf dieser Etappe zwar gut zu finden sind, aber oft lange Zeit nicht benutzt wurden. Häufig gilt es einen umgestürzten Baum zu umreiten, nur hie und da muss Didier zugewachsene Abschnitte mit der Machete freischlagen.

Mittags in Pontarlier werden die Pferde kurzerhand auf dem Parkplatz vor einem Restaurant angebunden. Es gibt Morbiflette, ein deftiges "Gröstl" aus Erdäpfeln, Speck und Morbier, dem köstlichen Jura-Käse. Die verbrauchte Energie kommt sofort zurück. Doch nur kurz nach der Pause stehen die Pferde schon wieder am Ufer des Hérisson, es gibt keine Brücke. Océane stapft zum ersten Mal ohne Zögern hinein, sprintet nach wenigen Schritten im Galopp zur Uferböschung. Von drüben signalisiert Didier bereits mit der üblichen Geste: Macht Dampf!

Hinter der Ain, einem Fluss, der das gleichnamige Département und den Jura durchquert, erreicht die Truppe eine Trasse mit alten Bahngleisen. Didier kündigt gerade noch einen 200 Meter langen Tunnel an, in den sie führen werden, schon ist es nachtschwarz. Er leuchtet die Wände mit einer Taschenlampe aus, dazu pfeift er Lili Marleen - wohl zur Orientierung, aber vor allem, damit die Pferde ruhig bleiben. Wenig später ist ein Hochplateau erreicht und damit wieder eine völlig andere, viel sanftere Landschaft.

Ob Océane das Panorama vom Aussichtspunkt bei Baume-les-Messieurs auch so beeindruckt? Ihr Kopf ragt jedenfalls weit über die Balustrade, den Blick hat sie starr auf das Dorf geheftet, das tief unten in einem grünen Talkessel liegt, umrahmt von mächtigen Kalkfelsen. Man kann sich schwer losreißen, doch Didier bläst zum Aufbruch, denn es ist noch fast einen Tagesritt bis dorthin.

Die Reiter erreichen die ersten Ausläufer des Weinbaugebiets von Lavigny, woher vor allem Rotweine mit der Appellation Côtes du Jura stammen. Von weitem ist schon die Burg Le Pin zu erkennen - die Tagesetappe ist erreicht. Die Pferde werden die Nacht auf der Koppel des gräflichen Anwesens Le Logis Neuf verbringen. Vorher aber werden sie im Stall noch fürstlich mit Kraftfutter versorgt. Bei so viel Luxus leisten sich auch die Reiter ein Hotel.

Steilhang zu den Staffeleien

Der neue Tag beginnt mit Striegeln und dem Auskratzen der Hufe. Die Pferde haben sich ordentlich im feuchten Erdreich der Koppel gewälzt. Bei Framboise schleift ein Hufeisen, das Didier mit neuen Nägeln befestigt. Klackklack geht es durchs Dorf und in die Rebhänge. Die Pferde erklimmen einen Steilhang, auf dessen Gipfel sich Château-Chalon postiert hat. "Eines der schönsten Dörfer Frankreichs", meint Didier. Und nicht nur er: In den engen Gassen stehen Maler hinter ihren Staffeleien, um die Szenerie mit Burg und Kirche zu aquarellieren.

Die Reiter durchqueren das Flusstal der Seille, erst im Schritt, dann im Trab und Galopp, Baume-les-Messieurs kommt näher. Noch prägen schroffe Kalkwände das Bild, dann zeigt sich eine Benediktinerabtei, die sich in dieser Gestalt seit dem 15. Jahrhundert über dem 200-Seelen-Dorf erhebt.

Und es sind freilich die Pferde, die das Mittelalterflair an diesem Ort nun perfekt machen. Monsieur Marcel schreitet als Erster würdevoll durch das Klostertor. Klackklack hallt es über das Pflaster, im Innenhof erfrischen sich die Tiere an einem großen Brunnen. "Vorsicht, niedrige Decke", warnt Didier und nimmt den dritten Torbogen in Folge, um die Abtei zu verlassen. Die acht Reiter folgen, und man ist fast versucht, sie "Ritter" zu nennen, wie sie da würdevoll schreiten - hoch zu Ross der Abendsonne entgegen. (Beate Schümann, DER STANDARD, Album, 13.9.2013)