Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet ein ganzkörperverhüllendes Stück Trikotmaterial bis zum Schlüsselkleid für Integration schafft? Jedenfalls nicht jene Konservativen und Ewiggestrigen, die 2008, als der Burkini das erste Mal in europäischen Bädern aufblitzte, laut aufschrien, dass spätestens damit der Untergang des Abendlands vorgezeichnet ist.

Nicht nur Bademeister in Österreich, auch die FPÖ war überfragt, wie sie auf die korantaugliche Bademode reagieren soll, und verlangte umgehend ein Trageverbot. Wo kämen wir denn da hin, wenn sich strenggläubige Musliminnen ins Freibad trauen, ohne sich halbnackt zu zeigen?

Mit dem Anblick klarkommen

Ebenjenes "integrationsfeindliche" Stück Stoff liefert jetzt einem deutschen Gericht die Argumente, warum muslimische Schülerinnen am Schwimmunterricht teilnehmen können, die es aus religiösen Gründen verweigern.

Es ist ein Urteil, das die gesellschaftliche Realität widerspiegelt: Wer in Deutschland (oder Österreich) lebt, muss mit dem Anblick halbnackter Menschen klarkommen. Niemand, der das nicht möchte, muss seine nackte Haut zeigen. Aber jeder muss schwimmen lernen. Genauso wie jeder Mensch lernen muss, dass es neben der Schöpfungsgeschichte auch eine Evolutionsteorie gibt.

Das "Burkini-Urteil" hat Klarheit geschaffen: Religionsfreiheit ist ein wichtiges Gut. Das Recht auf Bildung und Integration ist aber mindestens ebenso wichtig. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 13.9.2013)