Europaabgeordnete kritisieren das Konzept zur Netzneutralität, das die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes am Donnerstag in Brüssel als Teil des Telekom-Pakets vorstellen will. Kroes' Verordnungsvorschlag lasse Providern einen Spielraum für eine "Überholspur" im Internet, so der Tenor der Kritiker. Entsprechende Ausnahmen beim Traffic-Management seien zu weit gefasst.

"Spezialdienste"

Im Kern geht es um Artikel 23 des EU-Verordnungsentwurfs. Darin heißt es, dass Provider zahlungswilligen Endverbrauchern "Spezialdienste" mit besserer Qualität anbieten dürfen. Provider dürften keine spezifischen Internet-Inhalte blockieren, drosseln oder diskriminieren, "außer in Fällen, wo es notwendig ist, vernünftige Maßnahmen für Traffic-Management anzuwenden".

Dieses "vernünftige Traffic-Management" müsse transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein und ist laut dem Entwurf der EU-Kommission sogar notwendig zur Verhinderung schwerer Verbrechen im Internet.

Skype

Der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer befürchtet, dass aufgrund eines solchen Rechtsrahmens auch andere Internetdienste verlangsamt werden könnten, etwa der Video-Telefoniedienst Skype, der dann nur über ein schnelleres und teureres Internet laufen könnte. Problematisch sei auch, dass es keine allgemeingültige Definition von schwerer Kriminalität gebe und das eigentlich von Gerichten geklärt werden müsse.

Kroes würde mit dem Vorschlag ein "Zwei-Klassen-Internet" etablieren, so Weidenholzer, bei dem einige wenige Netzbetreiber darüber entscheiden, welche Inhalte wann beim Nutzer ankommen. IT-Giganten zu erlauben, für "Expressdaten" extra Geld zu verlangen, sei kundenfeindlich, hemme Innovation und stelle "einen schweren Anschlag auf das Internet" dar.

"Der Verordnungsentwurf der Kommission entspricht in keiner Weise dem Prinzip der Netzneutralität. Die vorgeschlagenen Regeln führen unweigerlich zu einem Zwei-Klassen-Internet", beklagte auch der fraktionslose EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser. Start-up-Unternehmen können sich nicht gegen finanzstarke Inhalteanbieter durchsetzen und würden keine gleich schnelle Datenübertragung anbieten können.

Netzsperre durch die Hintertür

Es sei "ein weiterer trauriger Höhepunkt, dass die EU-Kommission durch die Hintertüre Netzsperren einführen möchte", kritisierte Ehrenhauser weiter. Eine genaue Definition von schweren Verbrechen fehle, der Interpretationsspielraum sei enorm und könnte bis auf Urheberrechtsverletzungen ausgedehnt werden.

In Österreich ist die Netzneutralität, also die automatische Gleichbehandlung der Datenströme im Internet, nicht spezifisch gesetzlich geregelt. Aus dem Infrastrukturministerium hieß es zuletzt, die Telekomregulierungsbehörde RTR plane im Herbst Gespräche mit den Internetprovidern, parallel dazu laufen die Diskussionen auf EU-Ebene. In Kroes' Heimat, den Niederlanden, ist eine Drosselung oder Blockierung von Inhalten gesetzlich verboten.

In einer Aussendung forderten die Grünen am Donnerstag ein österreichisches Gesetz zur Netzneutralität. (APA, 12.9.2013)