Massimo Furlan erklärt in "Gym Club" das Bodybuilding zum Tanz.

Foto: Steirischer Herbst

Barbara Hölbling und Mario Höber beschäftigen sich mit Menschen in speziellen Bewusstseinslagen.

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Mutterseelenallein rennt ein Mann 90 Minuten lang über ein Fußballfeld, ohne Ball und ohne Mitspieler, lediglich Publikum gibt es. Er schießt imaginäre Tore, jubelt, fällt hin, steht auf und hetzt weiter. Massimo Furlan dekonstruiert ein Fußballspiel: In vielen Arbeitsstunden hat sich der Künstler für die Performance Das Wunder von Córdoba jede Bewegung Hans Krankls angeschaut und ein legendäres Match nachgespielt. Das war 2008 im Rahmen der Wiener Festwochen.

Mit Arbeiten über das kollektive Gedächtnis und nationale Mythen ist der Italoschweizer Furlan bekannt geworden. Zurückgreifend auf eigene Kindheitserinnerungen hat der Theatermacher etwa in 1973 den Song Contest selbigen Jahres nachgespielt.

Auch das Stück Gym Club, das jetzt beim Steirischen Herbst uraufgeführt wird, ist inspiriert von einem Nationalhelden: Es spielt im Graz des Jahres 1966, am Vorabend der Abreise Arnold Schwarzeneggers nach München. Eine kleine Gemeinschaft ist in einem Fitnessclub zusammengekommen, um einen zu verabschieden, der es noch weit bringen soll. Explizit kommt die "Steirische Eiche" allerdings nicht im Stück vor. Im Vordergrund steht die tänzerisch-narrative Erkundung des Phänomens Bodybuilding.

Hat Furlan 2008 Hans Krankl quasi zum "Choreografen" erklärt, so stellt er 2013 den Akt der Körperformung aus: jene unnatürlichen Bewegungen, die sich aus dem Versuch ergeben, einzelne Muskeln während längerer Bewegungsabläufe angespannt zu halten. Diese werden ein Mittel, eine Geschichte über das Streben nach Perfektion zu erzählen - eine Geschichte, die übrigens ohne echte Bodybuilder auskommt. Das burleske Treiben im Gym Club changiert dabei zwischen Jahrmarkt, Freakshow und Modenschau.

Während sich Furlans Protagonisten der Körpergestaltung hingeben, geht es in der Installation Close Link von hoelb/hoeb ungleich ernster zu: Barbara Hölbling und Mario Höber befassen sich mit Wachkomapatienten, Demenzkranken und Menschen, die aufgrund von Gehirnfehlbildungen von ihrer Umwelt isoliert sind. Im Fokus stehen die Beziehungen zwischen den Beeinträchtigten und den "Normalen".

Luxus versus Intensivstation

Hölbling und Höber, beide vom Bühnenbild kommend, verstehen sich dabei als Stifter eines Settings, Close Link ist eine begehbare Rauminstallation. Da gibt es Schreibtische, intensivmedizinische Geräte, Küchenelemente, Filme, Glaswände, dazwischen ein Stofftier und Postkarten aus dem Urlaub. Hier baut jemand ein Laborgerät aus Pappkarton, dort gruppiert man sich gerade um einen Bildschirm. Mitunter findet man sich als Besucher plötzlich in einem sich verengenden Raum wieder. Unterschiedlichste Sphären durchdringen einander in Close Link, der Blick der Besucher soll dabei vor allem auf unerwartete Verknüpfungen und auf den eigenen Umgang mit dem vermeintlich Kranken gelenkt werden.

Hinter Close Link steht ein umfangreiches Netzwerk aus Künstlern, Ärzten und Wissenschaftern, die teilweise ihre Arbeitsplätze in das Ex-Zollamt verlegen werden. So wird etwa ein Neurologenteam seine Erfahrungen mit den Besuchern teilen. Schließlich werden auch Betroffene vor Ort sein, etwa die Eltern eines an Gehirnfehlbildung leidenden Kindes. Mit Kunibert Geiger ist jemand vertreten, der nach einem Hirnstamminfarkt selbst im Koma lag - und danach ein Buch schrieb. (Roman Gerold, DER STANDARD, 12.9.2013)