Andreas Burghardt ließ 90 Prozent des Neubaus vom Weingut Loimer in Langenlois unter der Erde verschwinden. Das erleichtert viele Prozesse bei der Weinwerdung und spart erheblich Energie.

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Kein Chrom, kein Leder – nur pure Funktion. Einzig bei den Beschriftungen der Notausgänge oder WCs durfte Burghardt sich bei Loimer austoben.

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Propeller z baute das Weingut von Claus Preisinger im Wesentlichen aus Holz - nur an der Spitze, wo der Bau abzuheben scheint, wird aus Holz Beton.

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Architects Collective plante das Weingut Erich Sattler im verbauten Ortskern von Tadten - von der Straße ist kaum etwas zu sehen.

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Die Geburtsstunde der sogenannten Weinarchitektur war 1996. In Yountville, Kalifornien, schufen die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron für Dominus ein ultramodernes Weingut, das durch alle Design-Gazetten der Welt flatterte. Im Gegensatz zu den nüchternen, unterkühlten Produktionsstätten, die bis dahin üblich waren, handelte es sich bei der Dominus Winery um ein Stück zeitgenössischer Architektur: viel Stahl, viel Stein, viel Glas.

Bald war der mittelprozentige Bautrend auch in Österreich zu spüren. Von Mitte der Neunziger- bis Mitte der Nullerjahre sind im Burgenland, in Niederösterreich und in der Steiermark zahlreiche futuristische Weinschlösser entstanden, die nach dem Weinskandal 1985 wie eine kollektive Werbekampagne für den österreichischen Traubengärsaft eingeschlagen haben. Allesamt sehr chic und sehr, sehr nobel. Die rege Bautätigkeit der Winzer lag damals nicht zuletzt an den hohen EU-Förderungen, die in bestimmten Förderzielgebieten für den Bau von Schauräumen und Produktionshallen ausgeschüttet wurden. Bis zu 30 Prozent des Investitionsvolumens konnten auf diese Weise abgedeckt werden. Und dann war plötzlich Schluss.

"Rund um die Jahrtausendwende haben sich viele österreichische und internationale Winzer ausgetobt", sagt Philipp Tschofen vom Wiener Architekturbüro propeller z. "Doch mit dem Rückgang der EU-Förderungen ist wieder eine gewisse Nüchternheit und Nutzhaftigkeit eingekehrt. Auf einmal ging es in erster Linie nicht mehr um Schein und Show, sondern darum, wie gut die Produktion im Hinterkammerl funktioniert, wie gut die unterschiedlichen Abläufe funktionieren, von der Traubenanlieferung über die Pressung und Gärung bis hin zu Flaschenabfüllung, Lagerung und Verkauf."

Tageslicht statt Depression

Tschofen weiß, wovon er spricht. Gemeinsam mit seinen Partnern hat er rund um den Neusiedler See bisher fünf Weingüter geplant. Dazu zählen etwa das 2008 errichtete nüchterne Weingut Weninger in Balf und das 2009 fertiggestellte Weingut Preisinger in Gols. "Das Wichtigste bei einem Weingut ist, dass die komplexen Produktionsabläufe perfekt aufeinander abgestimmt sind", sagt Franz Weninger. Dazu gehören kurze Wege, wenig Platzverbrauch sowie Verzicht auf Engpässe wie etwa Lifte, Schleusen und schmale Gänge. "Im Hinblick auf meine Mitarbeiter ist mir aber vor allem wichtig, dass es genügend Tageslicht gibt, denn die meisten Weinkeller in Österreich sind dunkel, und das führt langfristig zu Depressionen. Da hilft auch der beste Wein nicht weiter."

Auch beim Weingut Preisinger, das 2010 mit dem Österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet wurde, leistet die Architektur vor allem technische und logistische Dienste. "Das ist ein sachlicher, gut funktionierender Form-follows-function-Bau", sagt Claus Preisinger. "Seitdem wir hier tätig sind, sind die Wege viel kürzer und die einzelnen Arbeitsschritte deutlich effizienter. Das ist eine enorme Erleichterung unseres Alltags. Dass das Haus nebenbei auch noch mit einer gewissen Ästhetik aufwartet, ist kein unangenehmer Nebeneffekt."

Außen ist der schmale, lange Holzbau mit einer diagonal verlegten Lattung aus Lärchenholzbrettern verkleidet. Lediglich an der Spitze, wo der erste Stock schwerelos abzuheben scheint, vollzieht das Gebäude einen Materialwechsel, wird von Holz zu Beton. "Da hängen rund 150 Tonnen frei in der Luft", sagt Preisinger. "Das ist, wenn man so will, der einzige Teil des Gebäudes, in dem die Schönheit den Ton angibt. Vom Verkostungsraum und vom weit hinausragenden Balkon sieht man über Gols und den Neusiedler See bis hin zum Leithagebirge. Man hat das Gefühl, mitten in der Natur zu stehen."

Im Einklang mit Dorf und Natur ist auch das Weingut Sattler in Tadten, errichtet vom Wiener Büro Architects Collective. Die kleine Betriebshalle steckt mitten im Dorfverband und fügt sich wunderbar in die traditionelle Streckhofbebauung ein. Von der Straße ist der zeitgenössische Bau, der auf einer Grundfläche von nur 300 Quadratmetern errichtet wurde, kaum zu sehen. "Nach mehr als zehn Jahren war es notwendig, den gesamten Betrieb logistisch zu erneuern", sagt Erich Sattler. "Und nachdem ich unbedingt im Ortskern bleiben wollte, war klar, dass wir nicht weiter expandieren, sondern lediglich verdichten können. Für einen Winzer ist das kein Problem, denn je kleiner der Bau, desto effizienter der Betrieb."

Wie sich die österreichische Weinarchitektur weiterentwickeln könnte, zeigt sich am besten am Weingut Loimer in Langenlois. Weit und breit kein Schnickschnack, keine liebevolle Geste für von weit angereiste Wochenendweintouristen, keine Spur von Luxusambiente mit Nappaleder und Chrom. Sondern einfach nur Technik. Pure Technik. "Ich will diesen ganzen Firlefanz nicht, den man bei vielen Winzern sieht", sagt Fred Loimer. "Für mich ist Architektur ein Mittel zum Zweck, das im Budget ist und das es mir ermöglicht, meine Arbeit gut und ungestört zu verrichten. Dann bin ich schon glücklich."

90 Prozent des Gebäudes sind in die Erde eingegraben und somit völlig unsichtbar. Die beiden Untergeschoße, die 15 Meter unter die Erde reichen, ermöglichen eine Vinifikation, die ganz ohne Pumpen auskommt. Von der Traubenanlieferung bis zur Flaschenabholung arbeitet Loimer einzig und allein mit der Schwerkraft. "Früher hat man oft Pumpen eingesetzt, aber das wirkt sich auf die Qualität des Weins aus", sagt Loimer. "Heute geht man eher wieder dazu über, so zu produzieren wie vor 100 oder 200 Jahren. Das geht natürlich nur, wenn die Architektur mitspielt."

Unterirdisch Energie sparen

Die unterirdische Bauweise hat aber noch einen anderen Vorteil, denn sie spart Energie. "Unterirdisch zu bauen ist zwar teurer als ein herkömmliches Weingut, das in der Landschaft steht, aber langfristig kann man dadurch erhebliche Kühl- und Stromkosten einsparen", erklärt Architekt Andreas Burghardt. Die natürliche Temperatur in den Hallen liegt im Jahresschnitt konstant bei 13 bis 15 Grad Celsius. Lediglich in den heißen Sommermonaten muss die Kühlmaschine eingeschaltet werden.

"Ich finde ja, man sollte Weingüter prinzipiell nur noch unterirdisch errichten", schlägt der Architekt vor. "Das Eingraben ist eine schöne Methode, die bauphysikalisch und technisch perfekt ins Konzept passt und die das Haus zum großen Teil auch noch verschwinden lässt. Das ist mir allemal lieber als diese futuristischen Riesenschlösser, die in den Weingarten geklotzt werden und allzu oft das heikle, sensible Landschaftsbild zerstören."

Bei einem Spaziergang zwischen den Tanks und Pressen kann man sich ein Bild davon machen, wie wenig die neue österreichische Weinarchitektur mit den französischen Chateaux, den italienischen Cantine und den spanischen Luxusbodegas von Santiago Calatrava oder Frank O. Gehry zu tun hat. Überall nur Edelstahl und nackter Beton. Einzig und allein bei den Notausgangsschildern und Stockwerksbeschriftungen hat sich Burghardt, der bereits seit einigen Jahren sämtliche Flaschenetiketten für Loimer entwirft, ausgetobt. Da läuft ein Maxl zum Notausgang, da werden die Stahltanks corporate-konform durchnummeriert, da wird freundlich darauf hingewiesen, sich vor dem Traubenkontakt die Hände zu waschen.

"So viel Witz muss schon sein", meint Loimer. "Doch generell erkenne ich, wie sich die österreichischen Winzer allmählich wieder auf die Tradition besinnen und zu ihren Wurzeln zurückkehren. Sowohl in der Architektur als auch im Wein. Die Schönheit liegt hier nicht so sehr in der Optik, wie das noch vor zehn Jahren der Fall war, als vielmehr in der Stimmigkeit zwischen Form und Funktion. Ich glaube, das ist die Zukunft der Weinarchitektur." (Wojciech Czaja, Rondo, DER STANDARD, 13.9.2013)