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Landärzte, hier Burkhard Benedek aus Kukmirn im Burgenland, müssen fast alles können. Der Nachwuchs wird dafür nicht ausreichend ausgebildet.

Foto: APA/Österreichische Ärztekammer/Gregor Zeitler

Salzburg/St. Pölten/Bregenz – Wenn ein Landarzt in Pension geht, gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger meist schwierig. So musste Eben im Pongau mehrere Monate ohne Gemeindearzt auskommen, ehe es im Oktober 2011 gelang, einen neuen Arzt zu finden. Die Aufregung war damals groß: Mit Charles Ademilua engagierten die Ebener einen gebürtigen Nigerianer, der in Wien studiert und vorher in London ordiniert hatte.

Zwei Jahre später ist Eben schon wieder auf der Suche. "Dr. Charles", wie Ademilua genannt wurde, hat gekündigt. Sein eigener Gesundheitszustand, aber auch die Sprachbarriere, hätte ihn zu diesem Schritt bewogen, heißt es in Eben.

Junge Allgemeinmediziner sind für das Leben am Land schwer zu begeistern. Stellen müssen in den meisten Bundesländern mehrmals ausgeschrieben werden, bis endlich ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden wird.

Darunter leiden die Patienten. Immerhin sind Landärzte für die Versorgung von 3,6 Millionen Bürgerinnen und Bürgern zuständig. Wie ernst die Situation ist, zeigt ein Blick in die Statistik. 56 Prozent der 1800 österreichischen Landärzte werden in den nächsten Jahren in Pension gehen. Die meisten davon in Kärnten und der Steiermark, wo zwei Drittel ins Pensionsalter kommen.

In der Steiermark sind 13 Prozent der Landärzte älter als 65 Jahre. Besonders prekär ist die Situ­ation im obersteirischen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag. Hier sind schon knapp drei Viertel aller niedergelassenen Ärzte älter als 50 Jahre. Im Bundesland wird nun versucht, die absehbare Ausdünnung der ärztlichen Versorgung am Land zu stoppen: durch Übergangspraxen, die nach einer Art Teilzeitschema funktionieren, und durch Kooperationen. Einige Jahre vor der Pension wird mit dem Nachfolger / der Nachfolgerin ein Übernahmevertrag abgeschlossen. Es bleiben eigene Jahre Zeit, sich vor Ort einzuarbeiten.

Gruppenpraxen ermöglichen

Landärzte müssten oft 24 Stunden arbeiten, das sei ein wesentlicher Grund, warum Jungmediziner lieber in der Stadt bleiben, sagt Martin Novak, Sprecher der stei­rischen Ärztekammer. Man überlege sich daher neue Kooperationsmodelle. Mehrere Ärzte sollen sich eine Praxis teilen können.

Zu Gruppenpraxen ermuntert auch Peter Rezar (SPÖ), Gesundheitslandesrat im benachbarten Burgenland. Er kann sich auch einen Landeszuschuss aus dem Krankenanstaltenfonds für bestimmte Leistungen vorstellen: "Wenn wir damit unsere Ambulanzen entlasten können, ist das eine Win-win-Situation."

Bis 2023 werden im Burgenland 61 Prozent der Landärzte in Pension gehen. Was das Problem zusätzlich verschärft, ist das regionale Ungleichgewicht. Der verkehrsmäßig gut erschlossene, ballungsraumnahe Norden gilt als medizinisches Hoffnungsland. Für dramatisch halten Experten aber die Lage im Landessüden.

Prekär ist auch die Situation in niederösterreichischen Regionen wie dem Waldviertel. Dort existiert seit Jahren ein Nachfolgeproblem. "Die Spitäler bilden ja keine Jungen mehr aus", sagt Susanne Rabady, praktische Ärztin in Windigsteig im Waldviertel. Es mangle einfach an Turnusärzten.

Rabady plädiert für Lehrpraxen, die Ausbildung von Allgemeinmedizinern bei erfahrenen Allgemeinmedizinern: Viele, die in ihrem Betrieb die Lehrpraxis gemacht hätten, seien in der Region geblieben.

Lernen beim Kollegen

Die Einführung von Lehrpraxen und die Finanzierung durch die öffentliche Hand sind eine wesentliche Forderung der Ärztekammer. "Die Ausbildungsqualität in den Krankenhäusern stimmt nicht mehr", sagt der Vorarlberger Kurienobmann Harald Schlocker. "Die Turnusärzte trauen sich die Praxis nicht zu." Was eine Befragung bei Turnusärzten bestätigt: Nur 18 Prozent wollen als Allgemeinmediziner arbeiten.

Noch scheitern Lehrpraxen an der Finanzierung. Die Förderungen seien zu gering, kritisiert Susanne Rabady. Das für eine Anstellung eines Lehrpraktikanten aufzuwendende Geld könne man kaum erwirtschaften.

Gute Erfahrungen macht die Landärztin mit Kooperationen. Sie arbeite eng mit vier weiteren Allgemeinärzten in ihrem Sprengel zusammen. Wochenend- und Nachtdienste müsse sie so nur alle fünf Wochen machen. Kollegen in kleineren Sprengeln kämen öfter dran. Diese Anforderungen zu erfüllen trauen sich "stadtausgebildete Kollegen" Rabadys Erfahrung zufolge oft gar nicht zu. (jub/neu/mue/ruep/spri/wei, DER STANDARD, 12.9.2013)