Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: dpa / endig

Der ehemalige Chef der Hypo Alpe Adria, Gottwald Kranebitter, erhält, wie DER STANDARD berichtet, eine (nicht rechtskräftige) Strafe von 150.000 Euro aufgebrummt. Nicht etwa, weil er die Sanierung der kaputten Bank nicht entschlossen genug durchgezogen und deshalb die Steuerzahler möglicherweise weitere Milliarden gekostet hat - sondern weil er einige Mitarbeiter mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten ließ und damit gegen das Arbeitszeitgesetz verstieß.

Dieses sieht eine strikte Zehn-Stunden-Grenze für jeden Arbeitstag vor. Ausnahmen gibt es nur wenige, und die vor allem für Schichtarbeiter, die am ehesten Schutz benötigen würden.

Wie bitte? Kann es tatsächlich sein, dass ein Bankchef, der sein Institut in der tiefsten Krise leiten muss, dafür bestraft wird, dass er seine Mitarbeiter ihren Job machen und vor allem zu Ende führen lässt? Jeder Manager weiß: Es gibt in zahlreichen Branchen Situationen, in denen sich die notwendige Arbeit nicht in einem Zehn-Stunden-Tag erledigen lässt.

Wo zehn Stunden nicht reichen

Eine Bank, die ihren Rechnungsabschluss erstellen muss, gehört sicherlich dazu. Auch bei Wirtschaftsprüfern wird kurz vor Abschluss einer Buchprüfung rund um die Uhr gearbeitet.

Mitarbeiter von Banken und Anwaltskanzleien, die Übernahmeverhandlungen beratend begleiten, müssen nächtelang durchmachen. Nach österreichischem Arbeitsrecht könnten Rechtsanwaltsanwärter oder Nicht-Vorstandsmitglieder dann nicht durchgehend dabei sein - und das lukrative Geschäft dadurch auch nicht in der Praxis lernen.

Bei Dienstreisen mit dem Auto tauchen häufig Probleme auf. Ein Verkaufsleiter, der um 7 Uhr morgens zu einem Termin losfährt, muss auch bei Einberechnung einer Mittagspause vor 18 Uhr die Verkaufsverhandlungen abbrechen - mit oder ohne Abschluss.

Auch im Journalismus ist diese Grenze oft nur unter großen Mühen einzuhalten. Eine laufende Geschichte bricht eben nach zehn Stunden nicht ab und lässt sich auch nicht leicht an einen Kollegen oder eine Kollegin übergeben.

Natürlich kann niemand mehr als zehn Stunden lang konzentriert wirklich gut durcharbeiten. Aber die meisten Arbeitstage im Büro haben auch Leerläufe, die längeres Arbeiten möglich machen. Und das wird vom Gesetz nicht erfasst. 

Verleitung zum Gesetzesbruch

Jahrelang wurden diese Beschränkungen auf typisch österreichische Weise etwas kavalierhaft gehandhabt. Doch eine Novelle 2008 hat zu einer Verschärfung der Überprüfungsmaßnahmen und zur drastischen Erhöhung der Strafen geführt. Seither sind viele Arbeitgeber ständig mit einem Fuß im Kriminal und mit Erpressungsversuchen und Racheakten verwundbar.

Denn der einzige Ausweg ist oft, dass die Arbeitszeit nicht korrekt aufgezeichnet wird, damit die Höchsttagesarbeitszeit zumindest auf dem Papier passt. Das Gesetz ist von der Realität der modernen Arbeitswelt so weit entfernt wie ein Bauernkalender von der wissenschaftlichen Meteorologie und verleitet so zum Gesetzesbruch.

Es geht ja nicht darum, dass Mitarbeiter bis zur Erschöpfung angetrieben werden und ihnen das Recht auf Familienleben genommen wird. Die Wochenarbeitszeit ist ohnehin durch das EU-Recht auf 50 Stunden begrenzt. Aber auch so mancher Arbeitnehmer möchte lieber einige Tage mehr arbeiten und dann ein längeres Wochenende genießen - etwa um einem Hobby nachzugehen oder weil man in einer Fernpartnerschaft lebt. Das wird vom Gesetzgeber untersagt.

Überall Reformblockierer

Warum wird dieses absurde, weltfremde Gesetz nicht reformiert? Vor allem die Gewerkschaft kämpft mit Händen und Füßen für die Zehn-Stunden-Grenze mit dem Argument, dass sie ihre Mitglieder vor Ausbeutung schützen muss. Aber dabei denken die Funktionäre offenbar nur an klassische Industriebetriebe und ignorieren neue Dienstleistungssektoren, wo die Anforderungen anders sind.

Und sie schaden dort gerade den Schwächsten: Wenn die Arbeitszeit nicht korrekt aufgeschrieben wird, zahlen oft jüngere Arbeitnehmer drauf, die um ihre Überstunden umfallen.

Die SPÖ klammert sich an das Gesetz, weil der Kampf gegen den Zwölf-Stunden-Tag bei ihren Stammwählern auf viel Zuspruch stößt. Das merkt man auch im laufenden Wahlkampf.

Und die ÖVP fordert zwar lautstark eine Liberalisierung, pfuscht aber in ihrer Kommunikation und verknüpft jede Flexibilisierung sogleich mit der Frage der Überstundenzuschläge, die sich viele Betriebe gerne sparen würden. Doch damit wird das Thema zum Verteilungskampf, bei dem der Widerstand der Gewerkschaften gewiss ist. Damit verhindert die Partei jede Reform.

Bei der Aufweichung der Zehn-Stunden-Grenze geht es nicht um Zuschläge, nicht um Geld, sondern um die Möglichkeit für beide Seiten, Arbeitsvorgänge sinnvoll und flexibel zu gestalten. Dass Österreich an dieser antiquierten Regelung festhält, ist ein schlechtes Zeichen für den Standort. (Eric Frey, derStandard.at, 11.9.2013)