Österreich spielte mit David Alaba auf der Position des Zehners ein deutlicheres 4-2-3-1 als in anderen Spielen, wo die Formation eher einem 4-4-1-1 entspricht. Irland hatte nur ein sehr klassisches 4-4-2 zu bieten, wobei vor allem Robby Keane sehr beweglich war und Jon Walters mit Zug zur Mitte versuchte, Überzahl herzustellen. Der defensiv disziplinierte Julian Baumgartlinger wusste das mit Unterstützung von Veli Kavlak zu verhindern.

Grafik: Tom Schaffer, ballverliebt.eu

Das österreichische Angriffspressing: Spielten die Iren den Ball von hinten heraus, stach Weimann zwischen die Verteidigung und lenkte damit den Angriff auf eine Seite ab. Alaba attackierte den nun ballführenden Innenverteidiger, und Österreichs jeweiliger Flügel setzte mit dem Außenverteidiger der Iren die verbleibende Anspielstation unter Druck.

Grafik: Tom Schaffer, ballverliebt.eu

Man soll sich bei Analysen ja nicht zu sehr auf Tore konzentrieren. Aber in den 29 Sekunden bis zum 1:0 durch David Alaba lief einiges zusammen, das ziemlich genau so erdacht war und das explizite Beachtung verdient.

Es war in der 83. Minute. Marko Arnautovic versuchte den Ball im Angriffsdrittel zu stoppen, verlor ihn aber gegen zwei Iren. Aleksandar Dragovic fing den folgenden Gegenstoß ab. Er spielte auf Arnautovic und lief selbst Richtung Strafraum. Der stoppte den Ball und wartete. "Arnautovic hat die körperliche Präsenz und kann den Ball halten", so erklärte Marcel Koller nach dem Spiel, wieso er den Neo-Stoke-Spieler einwechselte.

Als Christoph Leitgeb nachrückte, übergab Arnautovic die Haut. Warum der Salzburger Bankerldrücker überhaupt auf dem Feld stand? Koller: "Ich war mit Veli Kavlak nicht unzufrieden, aber habe gehofft, dass Leitgeb etwas offensiver spielen kann." Leitgeb begann seinen Einsatz nervös, gewann aber im Verlauf seiner 45 Minuten an Selbstvertrauen. In diesem Moment machte er ein paar Meter, gab den Ball dann zurück auf Arnautovic und lief in Richtung Strafraum.

Wenn Außenverteidiger mitgehen

Arnautovic bekam den Ball. Die einzige Variante schien eine Flanke in den Strafraum zu sein. Doch - man wird hier ein Muster bemerken - der 24-Jährige stoppte den Ball und ging mit ihm langsam und absichtsvoll auf die Abwehr zu. Dieses Warten "gibt den anderen die Chance nachzurücken, auch Christian Fuchs", meinte Koller. Fuchs konnte sich offensiv, solange vor ihm der eifrig rackernde Guido Burgstaller auf dem Feld war, kaum in Szene setzen. Danach tauchte er aber plötzlich mehrmals auf der Flanke auf (er bereitete zum Beispiel bereits die Riesenchance von Weimann vor (66.)). Auch jetzt hinterlief er Arnautovic, bekam auf Abwehrhöhe in vollem Lauf das Zuspiel und spielte von der Grundlinie einen scharfen Stanglpass.

In der Mitte hatten mit Dragovic, Leitgeb, Alaba und Harnik nun fünf Österreicher ihren Platz eingenommen. Marc Janko lauerte im Fünfer. Österreichs leider nicht voll fitter, aber bester Strafraumstürmer wurde genau dafür knapp zehn Minuten vorher eingewechselt. Er bekam den Ball gerade nicht, aber irritierte fünf Iren im Fünfmeterraum, die das Leder nicht wegbekamen. Und weil die Iren mit all den Blockversuchen und der Deckungsarbeit ein bisschen Raum für Alaba ließen, ist der Rest dieser Szene dessen Heldentum.

Ohne Frage ist es eine gewisse Portion Glück, wenn Wechsel und die Ideen dahinter dermaßen offensichtlich ineinandergreifen, aber eben kein Zufall. Das entscheidende Tor im ersten Qualifikationsfinale gehört nicht nur den oft gescholtenen Spielern Arnautovic, Fuchs, Janko und Superdarling Alaba, sondern auch dem Trainer.

Einige Umstellungen

Der musste davor für das Entscheidungsspiel wieder auf Zlatko Junuzovic verzichten und krempelte sein Mittelfeld um. Kavlak und Julian Baumgartlinger übernahmen die Rollen in der Defensivzentrale gegen das biedere 4-4-2 der Iren. Alaba übernahm den Zehner. In Irland reagierte Koller auf Junuzovic' Ausfall noch anders, damals ging Kavlak auf die Zehnerposition, und Alaba blieb weiter hinten.

Auch gegen den Ball behielt Österreich diesmal oft sein 4-2-3-1 bei, besonders wenn man es schaffte, Pressing zu betreiben (siehe Grafik links). Zwar gelangen Österreich auf diese Weise nicht so viele Ballgewinne, wie das in früheren Spielen bereits der Fall war, sie verhinderten aber immerhin schnelle Spielverlagerungen der Iren. Gerade diese Verlagerungen hatten dem Team noch am Freitag gegen Deutschland enorme Probleme bereitet, auch weil das Pressing dort mit Weimann als hängender Spitze so gar nicht funktionierte. Häufige Seitenwechsel sind Gift für Österreich. Das Nachschieben verlangt den sehr kompakt zur Seite rückenden Viererketten nicht nur immer wieder viel Laufarbeit ab, sondern reißt sie auch gerne aus der Formation. 

Irland war harmlos

Die qualitativ viel schwächeren Iren konnten sich diese Idee abschminken, wurden entwaffnet, und nachdem sie besonders zwischen der 10. und 33. Minute überhaupt keinen kontrollierten Spielaufbau zustande brachten, verlagerten sie ihr Spiel auf hohe Bälle. Weil jeder österreichische Verteidiger sich einen Schnitzer leistete, brachte das den Gästen drei Halbchancen und eine echte durch Anthony Pilkington (33.) ein. Doch weiter reichte das "Luck of the Irish" nicht, und damit hatte sich die Sache für Giovanni Trappattonis letzte Truppe (er trat am Mittwoch zurück) auch schon. Lediglich in der zweiten Hälfte, als das mit mehr Risiko zunehmend aufrückende ÖFB-Mittelfeld etwas Platz vor der Abwehr ließ, konnten sie noch ein paar Distanzschüsse anbringen.

In Wahrheit musste Robert Almer außer bei einem Querpass von Shane Long auf Robby Keane kein einziges Mal eingreifen. Doch trotzdem und auch wenn am Ende alles zusammenlief: Jedem Beobachter war an diesem Abend natürlich auch klar, dass Österreichs Werkl nicht rund lief.

Hektik und Formschwäche belasten Angriffsspiel

Eine gewisse Formschwäche lässt sich bei so manchem Spieler nicht leugnen, was die mangelnde Präzision bei so manchem Pass erklärt. Aber auch strategisch stimmte die Marschrichtung nicht ganz. Der Ball wurde zu oft schnurstracks nach vorn gespielt, statt bedacht gesichert zu werden. Wenn es schnell ging, ohne komplett in die Hose zu gehen, dann meist über Alaba, der mit seinen Tempoläufen das irische Mittelfeld überraschte. Das ist natürlich eine Stärke des Bayern-Legionärs, die auch zu einigen Chancen und Distanzschüssen führte, doch Koller hatte auch kritische Worte dafür übrig. Alaba werde mit zunehmendem Alter noch besser werden, wenn er auch lerne, öfter innezuhalten und den Ball in den eigenen Reihen zu halten, meinte der Schweizer. 

Alaba tat das ebenso wenig wie vor der Arnautovic-Einwechslung seine Kollegen im Angriff, und so fehlte für Gegenpressing bei Ballverlust das noch nicht nachgerückte Personal. Selten konnte man aus einer ruhigen Position heraus in die Spitze spielen. Wenn doch, dann versuchten es Garics (11., 20.)), Alaba (30.) und Fuchs (55.) aus tiefen, seitlichen Positionen mit schlussendlich unwirksamen Hebern über die Gegnerabwehr.

Über die Flügel ging lange Zeit gar nichts. Dabei war das einer der Hauptgedanken von Koller bei der Aufstellung von Burgstaller. Der Rapidler sollte als Linksfuß für Flanken und Querpässe von links sorgen, während Arnautovic dazu tendiert, in die Mitte zu ziehen. Dem Rapidler gelang es praktisch nie, diese Vorgabe umzusetzen oder auf Fuchs zu warten. Und weil Harnik auf der anderen Seite Garics bei Ballbesitz immer zu einem Sturmlauf entlang der Seitenlinie ansetzte, kam auch der zweite Außenverteidiger Österreichs kaum zu eigenen Vorstößen.

Fazit

Obwohl bei weitem nicht alles klappte, Formschwächen das Team plagten und empfindliche Ausfälle die Situation erschwerten, ist es am Dienstag gegen ein höher gereihtes Team als verdienter Sieger vom Feld gegangen. Es war wohlgemerkt die einzige Auswärtsniederlage der Iren in den fünf Jahren unter Trappattoni. Österreich hatte den Gegner großteils im Griff, selbst mehrere Großchancen, und schlussendlich erzwang man sein Glück auch mit guten Wechseln von der Bank.

Damit hält man sich nicht nur in der aktuellen WM-Qualifikation die kleinen Chancen auf die Sensation offen, sondern arbeitet sich auch in den Ranglisten der FIFA und UEFA nach vorn, um künftig bei Qualifikationen wieder aus Topf 3 gelost zu werden. Das war das realistische Ziel für diese Qualifikation. Alles, was nun vielleicht noch darüber hinausgeht, wäre ein Bonus, für den es nun alles zu tun gilt. (Tom Schaffer, derStandard.at, 11.9.2013)