Samstag vergangener Woche haben syrische Rebellen die Stadt Maalula etwa 60 Kilometer nördlich von Damaskus eingenommen. Der Ort ist eine christliche Enklave und verfügt über ein uraltes Kloster und eine Kirche, die angeblich die älteste der Welt ist. Es wird dort noch Aramäisch gesprochen, die Sprache Jesu.

Am Sonntag begann die Assad-Armee mit einer Gegenoffensive und hat, Berichten zufolge, die Stadt zurückerobert. Das syrische Regime veröffentlichte Meldungen von angeblichen Gräueltaten der jihadistischen Rebellen. Daraufhin meldete sich eine Oberschwester aus dem Thekla-Kloster und erklärte, die Rebellen hätten keine Übergriffe verübt.

Soweit die unübersichtliche Nachrichtenlage aus einer quasi "urchristlichen" Gemeinde. Fest steht allerdings, dass es Christen aller möglichen Denominationen in den Krisengebieten des Nahen Ostens, aber nicht nur dort sehr schlecht geht. In Ägypten werden die Kopten, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen und als ihren Gründer den Evangelisten Markus nennen, systematisch von den Muslimbrüdern und noch radikaleren Gruppen angegriffen; im Irak gibt es faktisch keine Christen mehr, im Libanon sind viele latent von der Hisbollah bedroht, haben aber auch während der syrischen Besatzung schlechte Erfahrung mit dem Assad-Regime gemacht. In Westafrika wie in Mali und in Nigerien wurden und werden sie von islamischen Fanatikern gezielt verfolgt.

Das Schicksal der sogenannten orientalischen Christen stößt auch bei manchen areligiösen Menschen mit Sinn für Kultur-und Geistesgeschichte auf Interesse, weil sie eben an der Wiege des Christentums leben und diese aber bedroht ist. Ihnen verdankt, wie der frühere Leiter der erzbischöflichen Pressestelle, Erich Leitenberger, kürzlich schrieb, "das europäische Christentum im Übrigen alles, was es ausmacht: die Heilige Schrift, die Theologie, die Spiritualität, die Architektur, die christliche Kunst". Die Zerstörung dieses kulturellen Erbes sollte auch etwa einem Niko Alm, hartnäckigem Kämpfer gegen die katholische Kirche hierzulande, zu denken geben.

In Syrien haben viele Christen beim Diktator Assad, einem Alawiten, gegen die radikalen Sunniten Schutz gesucht und ihn auch unterstützt, wenn auch meist nur verbal. Das scheint sich nun generell zu rächen, wenn es auch in Maalula, vielleicht wegen der Weltöffentlichkeit, anscheinend nicht zu islamistischen Übergriffen gekommen ist. Jedenfalls ist es unleugbar, dass die Christen außerhalb Europas zu den verfolgten Minderheiten gehören.

Wenn nun Spindelegger sagt, man solle "Frauen, Kinder und Christen" aus Syrien aufnehmen, dann war das angesichts der muslimischen oder andersgläubigen Flüchtlinge aus diesem Land unklug. Man muss eher nach der individuellen Gefährdung entscheiden. Aber der Furor, mit dem sich manche hierzulande dazu äußerten, ließ den Verdacht aufkommen, hier würden innenpolitische ideologische Schlachten geschlagen, die mit der tragischen Situation in Syrien wenig zu tun haben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 11.9.2013)