Was die Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin, Andy Kaltenbrunner und Daniela Kraus so über Österreichs Medienmanager herausgefunden haben, packten sie in ihren jüngsten, den vierten Band des Journalismus-Report für ihr Medienhaus Wien. Montagabend diskutierten sie die Lage mit Steffen Grimberg ("Zapp"/NDR) und Gerlinde Hinterleitner, in der Standard-Gruppe Verlagsleiterin derStandard.at und Chefin der Abteilung für User Generated Content. Zentrales Thema: Innovation. Hinterleitners Befund: "Innovationsmanagement gibt es eigentlich nicht" in Österreichs Medienbranche.

Hinterleitner hat derStandard.at 1995 mit erfunden, unter "Bedingungen, wie man sie kaum mehr in Medien findet, vielleicht noch in öffentlich-rechtlichen: Uns war ein bisschen fad. Wir hatten ein bisschen mehr Personal als Arbeit. Das gab uns Zeit und Energie, uns mit einem neuen Thema auseinanderzusetzen und auch die Kraft aufzubringen, etwas komplett Neues durchzusetzen und in der tagtäglichen Organisation zu implementieren. Diese Freiheit gibt es heute kaum mehr. Alle sind so wahnsinnig mit dem Tagesgeschäft beschäftigt. Da fällt Innovation schwer."

Hinterleitner hat für den Journalismus-Report einen Beitrag über Innovationen im Mediensektor verfasst. Sie sieht "viele gute Ideen", die aber nicht systematisch analysiert und einem Projekt zugeführt würden. Sie erkennt "relativ wenig Geduld mit Projekten", mit Scheitern könne Medienmanagement "nicht sehr gut umgehen": "Wenn eine Idee nicht gleich so funktioniert, wird sie schnell wieder verräumt und nicht weiter nachgedacht, was nicht funktioniert hat".

Heiter scheitern

"Innovation funktioniert sehr gut, wenn ich Spielräume habe", sagt Karmasin: Wenn genügend Geld da ist, mit Projekten auch "heiter zu scheitern". Wer zu lange warte, bis die Profitmargen schwinden, habe keine Managementkapazität mehr für Innovationen, aber alle Hände voll damit zu tun, dass Liquidität im Unternehmen bleibt.

Noch sei "nicht allen klar, welcher enorme Veränderungsprozess in den Redaktionen, in der Produktion, im Vertrieb vonstatten gehen muss", sagt Hinterleitner in der Concordia: Noch sei "nicht allen klar, dass man Journalismus billiger produzieren muss" - und das bedeute "nicht, dass die Journalisten weniger verdienen": "Der Prozess rundherum muss kostengünstiger abgewickelt werden." Gewohnte Produktionsprozesse seien "nicht mehr finanzierbar, wo Information so umfassend verfügbar ist wie heute, wo es wesentlich mehr Mitbewerber gibt." Ihr Rat: "Wer über den Tellerrand blickt, kriegt mit, wer noch aller am Tisch sitzt."

Hinterleitner hörte erst vor wenigen Tagen von einem "Medienmanager einer großen Tageszeitung", dass sein Verlag nun doch daran denke, in Rubrikenmärkte (Kleinanzeigen/portale) zu investieren. "Man hat ihm vielleicht noch nicht gesagt, dass der Zug schon ziemlich abgefahren ist und die Einstiegshürden schon sehr hoch sind. Sie rechnet damit, dass es in Österreich einige heute existierende Medien "längerfristig nicht mehr geben wird".

Grimberg, früher Medienredakteur der Berliner "tageszeitung", erkennt ein Finanzierungsprinzip der "taz" nun beim "Guardian" wieder. Die "taz" ist eine Genossenschaft ihrer Leser. Der "Guardian" arbeite nun an einem "Membership Program".

Karmasin hinterfragt Bezahlmodelle zugespitzt so: "Zahlen Leute, die einen Erkenntnisekel haben, dafür, dass sie aufgeklärt werden?"

Userinnen, Mitarbeiter einbeziehen

Hinterleitner glaubt jedenfalls nicht an Bezahlmodelle, wie sie "in der analogen Welt funktioniert haben". Aber: "Es ist sicher notwendig, dass man vom User, von der Userin Geld bekommt". Schlüsselfrage für den Journalismus, im digitalen Zeitalter wirklich anzukommen, sei aber Partizipation der Userinnen und User: "Sie erwarten, dass sie in einen Dialog mit ihrem Medium, mit den Journalisten und Autoren treten können, dass sie auch mitmachen können an ihrer Zeitung, ihrem Medium." Zugleich müssten Medienmanager Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weit mehr in Erneuerungsprozesse einbeziehen: "Da ist soviel Knowhow und Wissen und Kreativität."

Sind Österreichs Medien also in guten Händen, fragt Concordia-Chefin Astrid Zimmermann, Gründungsmitglied des Medienhaus Wien? "Die Medienmanager sind so, wie die Medienlandschaft sich darstellt: ein Hort der Stabilität, relativ konservativ im Verhalten. Wenn das System relativ stabil ist, birgt das das Risiko, dass die Innovativen verschwinden." Sein betont subjektiver, unwissenschaftlicher Befund: "ein System, das die Guten vertreibt".

Karmasin bezieht aus der einschlägigen US-Fachliteratur den Merksatz: "Hauptaufgabe von Management ist Irritation. Gutes Management ist systematische Irritation - auch von sich selbst." Das möchte der Kommunikationswissenschafter "vielen österreichischen Medienmanagern ins Stammbuch schreiben - ein bisschen Abstand zu sich selbst ist gar nicht schlecht."

Wie steht es mit Irritationen in der Standard-Gruppe, der die vom Medienhaus befragten Manager ja den größten Bedeutungszuwachs unter allen Medien des Landes voraussagen, will Zimmermann noch von Hinterleitner wissen. "Viel zuwenig", findet die. (fid, derStandard.at, 9.9.2013)