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Mark Thompson (li.), ehemaliger BBC-Chef und heute Boss der "New York Times", wirft BBC-Aufsichtsratschef Patten "gezielte Unwahrheiten" vor. Nun werden BBC-Gremien infrage gestellt.

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Vordergründig ging es um aufgeblähte Managementstrukturen und überhöhte Abfindungen. Doch im Rechnungsprüfungsausschuss im Unterhaus wurde Montag auch über die langfristige Unabhängigkeit des bekanntesten öffentlich-rechtlichen Senders der Welt verhandelt. Auf dem Spiel steht die Existenz des Rundfunkrates (Trust) unter Leitung des früheren Kabinettsmitglieds Chris Patten, der von den ausbezahlten Millionen nichts gewusst haben will. Dabei sei er "schriftlich und mündlich vollständig orientiert" gewesen, beteuert der frühere BBC-Chef Mark Thompson. Auch für ihn geht es um viel: Er führt inzwischen das Verlagshaus um die New York Times.

Zuletzt stand die BBC wegen der Sexualverbrechen ihres Moderators Jimmy Savile im Kreuzfeuer. Wie sie mit den Vorwürfen umging, beschädigte ihre Glaubwürdigkeit massiv. Eine interne Untersuchung förderte im Dezember schwere Führungsmängel sowie "organisatorisches Chaos" zutage.

Management auf dem Prüfstand

Auch diesmal steht das Management auf dem Prüfstand. Der Trust forderte Generalintendant Thompson bereits 2010 dazu auf, sein Unternehmen umzustrukturieren: Der Journalist hatte viele Redaktionen verkleinert, aber immer neue hochbezahlte Manager eingestellt. 150 davon erhielten die Kündigung, teils Abfertigungen weit über rechtlichen Ansprüchen. So erhielt Thompsons Vize Mark Byford 1,13 Millionen Euro. Insgesamt gab die Personalabteilung binnen drei Jahren grünes Licht für Abfindungen von 29,7 Millionen Euro - "ein System monströser Großzügigkeit", empörte sich der konservative Medienexperte Stephen Pollard.

In der Wortwahl milder, in der Sache ebenso klar äußerte sich der Rechnungshof, woraufhin die Parlamentarier nun BBC-Chairman Patten vorluden. Der frühere Gouverneur von Hongkong zeigte sich erstaunt und wies Thompson die Schuld zu. Das dürfte er mittlerweile bereuen: Der frühere Generalintendant bezichtigte den konservativen Politiker "gezielter Unwahrheiten und Ungenauigkeiten": Patten habe das Parlament "grundlegend in die Irre geführt". Prompt meldeten sich Konkurrenten und Kritiker zu Wort. So forderte der konservative Vorsitzende des Kulturausschusses im Parlament, John Whittingdale, ein langjähriger Büchsenspanner des Medienunternehmers Rupert Murdoch (Sky), die Abschaffung des Aufsichtsrats und Unterordnung der BBC unter die TV-Aufsichtsbehörde Ofcom. Die zuständige Kulturministerin Maria Miller, eine Parteifreundin Whittingdales, erwägt dies offenbar.

Beschädigt waren schon vor dem Ausschuss alle Beteiligten: Patten, der nichts wusste oder wissen wollte; Thompson, dessen Glaubwürdigkeit bereits durch die Savile-Affäre schwer erschüttert ist; und die BBC, deren Rundfunkgebühr nur bis 2016 garantiert ist. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 10.9.2013)