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Foto: AP/Munoz

Seine Mutter meinte einmal, ihr Tony werde entweder Papst oder Premier. Jetzt wird er Australiens neuer Regierungschef, und es wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, ob Tony Abbott nicht lieber das Oberhaupt der katholischen Kirche geworden wäre.

In der Öffentlichkeit ist der 55-Jährige kein angenehm wirkender Mensch. Allein seine von Extremsport gestählte Figur strahlt Aggressivität aus. Der in Großbritannien geborene Politiker, der mit seinen Eltern als Junge nach Australien auswanderte, ist ein Kämpfer in jeder Hinsicht. Schon in seiner Zeit an der Oxford-Universität hatte er den Ruf eines erbarmungslosen Angreifers. Das half ihm im Boxring, wo er sich zu Hause fühlte. Für einige Zeit soll er sich überlegt haben, den Sport zu seinem Beruf zu machen.

Nachdem der junge Abbott für kurze Zeit ein Priesterseminar besucht hatte, aber offenbar mit dem Zölibat nicht zurechtkam, wurde er Journalist. Sein Herz gehörte aber immer der Politik – der erzkonservativen, tief verwurzelt im Katholizismus. Bald nannten ihn seine Parteikollegen in der Liberalen Partei den "verrückten Mönch".

Kompromisslos kämpfte er gegen die "Verführungen" der Moderne: Homo-Ehe, Scheidung, Abtreibung, Stammzellenforschung, Republikanismus – und Gleichberechtigung.

Abbott wäre wohl für immer ein ideologischer Extremist und Außenseiter in seiner Partei geblieben, wäre er nicht auch ein Klimawandelskeptiker. Der Großteil der konservativen Parlamentarier in Australien glaubt noch heute, Klimawandel sei im besten Fall ein natürlicher Ablauf, im schlechtesten eine "Erfindung der Grünen und Linken, um die Industriegesellschaft zu zerstören".

Als 2010 Julia Gillard Premier wurde, sah Abbott rot. Mit sexistischen Floskeln versuchte der Vater dreier Töchter, gegen die Regierungschefin Stimmung zu machen. Als diese in einer historischen Rede Abbott der Frauenfeindlichkeit bezichtigte, war das für die Parteistrategen ein Signal. Sie nutzten jede Gelegenheit, um Abbott als "geläutert" zu verkaufen. Im Wahlkampf waren kontroverse Themen wie Religion und Sex tabu. Abbotts Freund, der Medienmogul Rupert Murdoch, half mit einer schamlos einseitigen Berichterstattung, das Bild vom "neuen Tony" zu zeichnen.

Mit Erfolg: Am Samstag stimmte die Mehrheit der Australier endlich für Abbott. Ob sie den neuen oder den alten Tony gewählt haben, wird sich allerdings erst zeigen.  (Urs Wälterlin /DER STANDARD, 9.9.2013)