Im Repertoiretheater wären manchmal Spezialkenntnisse in Statistik von Vorteil, wenn etwa die Staatsoper zu Saisonbeginn Aufführung Nr. 563 ihrer Tosca-Inszenierung zeigt, die aus dem Jahr 1958 stammt. Das Opernmuseum, einst Lieblingsidee von Richard Strauss und Marcel Prawy, ist also teils schöne Realität. Aber wer die Aufführungen, die einem da noch vor wenigen Jahren zugemutet wurden, nicht völlig verdrängt hat, muss zugeben, dass Tosca nun deutlich gepflegter daherkommt. Der Weihrauch im 1. Akt mag wie vieles andere Geschmackssache sein, aber bis zum fast filmreifen Sprung der Titelfigur von der Engelsburg ist der Grad an unfreiwilliger Komik rapide gesunken.

Dafür war am Donnerstag das Spektakel auf der anderen Seite der Rampe gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig. Auftrittsapplaus für das zentrale Liebespaar (ohne Rücksicht auf das übrige Geschehen) brandete da auf wie in einer Arena. Die Hochgejubelten sind aktuell geliebte Topstars, und entsprechend kochte die Stimmung.

Bei Lichte betrachtet müsste man freilich im Fall von Angela Gheorghiu schon den einen oder anderen Abstrich machen: Bei aller Ausdruckskraft und kehliger Wärme wirkt ihre Stimme oft flach, sie flackert manchmal gefährlich auf.

Marcelo Álvarez (wie Gheorghiu Rollendebütant am Ring) lässt hingegen abgesehen von einer gewissen Unnahbarkeit keine Wünsche offen. Fast wie der junge Pavarotti vereint er Tragfähigkeit und Schmelz mit fokussierter Kraft, er phrasiert betörend rund und dynamisch. Zeljko Lucic ist ein unorthodoxer Scarpia von wenig stimmlicher und darstellerischer Schwärze, dafür reich an lyrischen Qualitäten. Und das Staatsopernorchester unter der Leitung von Marco Armiliato klingt, als hätte es eine Woche lang geprobt: ausgewogen, schwungvoll zupackend und vielfarbig abschattiert. (daen, DER STANDARD, 7./8.9.2013)