Barack Obama hat es mit seinen Syrien-Plänen alles andere als leicht: International mit wenig Unterstützung, muss der US-Präsident auch zu Hause um die Mehrheit im Repräsentantenhaus bangen, von dessen Zustimmung er den Militäreinsatz unvorsichtigerweise abhängig gemacht hat. Wenn der Kongress nicht zustimmt, was derzeit absolut möglich erscheint, dann hat Obama viel von seiner Glaubwürdigkeit verspielt. Gerade diese Aussicht verleitet so manchen Republikaner, gegen seine kämpferische Gesinnung dem Präsidenten hier eine Niederlage zuzufügen.

Schuld an dieser misslichen Lage sind nicht nur Obamas ungeschickte Diplomatie und seine eigene Zögerlichkeit. Der Teufel liegt in der Natur der Mission, die das Weiße Haus hier plant: eine Strafaktion, die vor allem der Durchsetzung internationaler Normen, nämlich der Ächtung chemischer Waffen, dient.

Strafen sind grundsätzlich notwendig, um eine Ordnung aufrechtzuerhalten. Innerhalb eines Staates geschieht dies durch Polizei und Justiz, international wird manchmal auch militärische Gewalt benötigt. Wenn Bashar al-Assad weiß, dass er seine Bürger vergasen kann, ohne dafür zu büßen, dann hätte das nicht nur für den Konflikt in Syrien schlimme Konsequenzen. Es wäre auch eine Botschaft an andere Diktatoren, die Völkermord begehen oder nach Atomwaffen streben.

Doch die Verhängung und die Durchsetzung solcher Strafen haben immer einen Preis, nicht nur für den Bestraften, sondern auch für den Strafenden. Auch spieltheoretische Experimente haben gezeigt, wie gerne man das Strafen anderen überlässt. Selbst unter Eltern ist das ein häufiges Muster.

In der internationalen Politik ist es besonders leicht, sich vor der Sanktionierung von Aggressoren und Menschenrechtsverletzern zu drücken – und dann sogar einen Vorteil daraus zu ziehen, wenn andere handeln. Deshalb funktionieren Wirtschaftssanktionen meist so schlecht: Der Anreiz, diese zu untergraben und etwa an das boykottierte Land dennoch Waren zu liefern, ist einfach zu hoch.

Es braucht meist starke Hegemonialmächte, ein solches Trittbrettfahrertum zu überwinden; Kollektive wie der UN-Sicherheitsrat scheitern allzu leicht an dieser Aufgabe.

Jahrelang haben die USA die Rolle des Weltpolizisten erfüllt, verbunden oft allerdings mit fragwürdigen Motiven und miserabler Vorbereitung. Spätestens seit den Mehrfachkriegen der Bush-Ära aber ist den Amerikanern die Lust, den Rest der Welt auf eigene Kosten zu disziplinieren, gehörig vergangen. Die starken Zweifel im Kongress spiegelt die Stimmung der Bevölkerung wider. Und in Europa ist es derzeit nur Frankreich, das diese Art der geopolitischen Verantwortung übernehmen will.

Auch in der EU schwächelt die Bereitschaft, Verstöße gegen demokratische Werte allzu streng zu ahnden. Das Scheitern der unüberlegten "Sanktionen"  gegen Schwarz-Blau im Jahr 2000 wirkt bis heute nach, etwa bei Ungarn. Das birgt Gefahren, denn tatsächlich wächst bei manchen neuen Mitgliedern wie etwa Kroatien das Gefühl, EU-Normen seien nur Empfehlungen.

Der weitere Verlauf des Konflikts hat deshalb massive Auswirkungen auf die kommenden Jahre. Wenn niemand mehr bereit ist, einzugreifen, um internationale Normen zu verteidigen, dann droht eine neue Weltunordnung, die viel mehr Menschenleben kosten kann als der Krieg in Syrien.(DER STANDARD, 7.9.2013)