Es wird wohl noch länger nicht ruhig um Quiet werden.

Foto: Kojima Productions

Die Videospielindustrie tut sich im Jahr 2013 immer noch schwer mit Sexualität. Während Gräueltaten und Brutalität zum Standard erhoben wurden, fürchtet man bei jedem Stück nackter Haut, Konsumenten oder irgendwelchen Meinungsführern auf den Schlips zu treten. Diese stark von den führenden US-Studios getriebene Doppelmoral führt soweit, dass eine Liebesszene in einem Thriller wie "Heavy Rain" für mehr Aufregung sorgt, als die Halbierung von Aliens mit Kettensägen in einem Shooter wie "Gears of War". Es ist also nicht verwunderlich, dass Ende der Woche die Enthüllung eines weiblichen Charakters des kommenden Agentenepos' "Metal Gear Solid 5" für Tumult in der Branche sorgte.

"Widerlich"

"Ist mir egal, ob ich dafür in Schwierigkeiten gerate. Dieses Charakterdesign ist widerlich. Unsere Industrie sollte besser sein als das", schrieb etwa David Ellis, Content Producer bei 343 Industries (Halo 4), in einer Reaktion auf Twitter. "Die Industrie ist voller Männerbabies. Ugh."

Die angesprochene Figur Quiet ist in einen Army-Bikini und zerrissene Strumpfhosen gekleidet, um ihre Hüften trägt sie einen schweren Munitionsgurt. Wie passe dies in ein durchwegs ernstgemeintes Kriegsdrama, dessen Produktionsqualitäten in der obersten Liga mitspielen, so die entrüsteten Kommentare in Foren und auf Social-Media-Kanälen. "Sexualität kann mit Intention genutzt werden. Ich dachte, dass es zum Beispiel in 'Bayonetta' funktioniert hat. Das (aber) fühlt sich faul und ausbeuterisch an", so Ellis.

Weshalb?

Gegenüber Fachmedien versuchte "Metal Gear"-Schöpfer Hideo Kojima seinen Standpunkt zu erklären, der die Kreation eines seiner Künstler zuvor noch als "erotisch" bezeichnete. "Erotisch war nicht wirklich das, was ich sagen wollte. Was ich in Wirklichkeit versuche, ist einzigartige Charaktere zu kreieren", sagt Kojima. "Ich wollte ihr diese Sexyheit verleihen." Die Charaktere im Spiel würden teilweise nur in sehr kurzen Dialogen in Erscheinung treten, weshalb bereits ihr Äußeres für ihre Eigenschaften sprechen müsse. "Deshalb wollten wir die Charakteristik von jeder einzelnen Rolle zeigen. Sexy kann auch für Typen, Waffen und Vehikel funktionieren, so charakteristisch ist es." Jeder Charakter wurde bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Name, Stil, Lieblingsphrase, Mode, Verhaltensweisen und die individuelle Geschichte fließen in die Gestaltung der Modelle ein. Wer die Serie kennt, weiß, dass Kojima seine Erzählung von Anfang an auf sehr symbolträchtige, metaphorische Rollen aufgebaut hat.

Nicht wie, sondern warum

Interessant an dem Beispiel Quiet ist, dass die bloße Vorstellung ihres Modells für Kritik sorgte, ohne abzuwarten, welche Intention die Schöpfer verfolgen. Schreit die Filmindustrie auf, weil in "Prometheus" die Schauspieler in wenig bedeckenden Bandagen den Film eröffnen? Nein, da die Erwartungshaltung von Filmeschaffern und -Sehern anders ist. Doch in der Gaming-Branche bricht Erotik heute immer noch Tabus. Vielleicht sind die Vorwürfe tatsächlich gerechtfertig und Kojima will nur die Hormone seines männlichen Publikums in Wallungen bringen. Beispiele für diskriminierende Sexualität in Videospielen gibt es schließlich genug. Genauso müsste sich 343 Industries-Mitarbeiter Ellis die Frage stellen, weshalb die künstliche Intelligenz in "Halo 4" in einem hautengen Bodysuit in Erscheinung treten muss.

Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter und man sollte einfach abwarten, was sich die Künstler bei der Schaffung ihrer Charaktere gedacht haben. Dass "stille Wasser" tief sind, lässt auch Quiets Motion-Capturing-Modell Stefanie Joosten anklingen. "Natürlich war ich überrascht Quiets Outfit zu sehen. Aber wissen sie, es passt ins 'Metal Gear'-Universum. Kojima hat seine Gründe, weshalb Quiet anhat, was sie anhat. Spieler müssen sich nur etwas gedulden." (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.9.2013)

(Video: MGSV Character making - Stefanie Joosten as Quiet (3D Scan and Motion Capture)

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