Wien wird gerade umgebaut –genauer gesagt: aufgestockt. Der Dachausbau-Boom hat inzwischen Bezirke erreicht, die mehrheitlich von wenig zahlungskräftigem Publikum bewohnt werden. Das führt zu seltsamen Verhältnissen. Ganz oben ziehen die ein, die sich die teuren Wohnungen mit Terrasse leisten können und unten bleiben –wenn sie Glück haben und nicht vertrieben werden- die Altmieter.

Oft begegnen einander die Reichen von oben und die Habenichtse aus den unteren Etagen nicht einmal im Stiegenhaus, wenn nur die von oben einen Schlüssel für den Lift haben, der hinauf unters Dach führt. Die Mieter aus den unteren Etagen sind nicht selten Einwanderer oder stammen aus eingewanderten Familien.

Zweiklassengesellschaft in der Schule

Und dann kommen die Kinder, die zur ebenen Erde wohnen und die aus dem obersten Stock in dieselbe Schule. Dort finden die neuen Wohnverhältnisse ihre Entsprechung im öffentlichen Bildungswesen. Für die mit den Dachterrassen hat man nämlich vorgesorgt:  Mit gemütlichen Klassenzimmern im hellen obersten Stockwerk des Schulgebäudes. Dort  treffen sich die Sprösslinge von Eltern mit Universitätsabschluss. Für sie hat man sich neue Unterrichtskonzepte überlegt, die Mehrstufen-Klassen zum Beispiel, die dann von Lehrerinnen mit Montessori-Ausbildung betreut werden.

Jeder Klasse stehen mehrere Räume zur Verfügung dazu Computer und besondere Unterrichtsmaterialien. Es ist wie im Volksschulparadies. Und das praktisch gratis in einer öffentlichen Schule! Was man im obersten Stock dieser Volksschule vergeblich sucht, sind Kinder aus so genannten bildungsfernen Schichten mit Migrationshintergrund, wie die Neubürger ohne höheren Schulabschluss oft  beschrieben werden. Die drängen sich in den unteren Geschoßen, in Klassen, wo sie den Großteil der Schüler ausmachen.

Mustafa und Ferdinand

Manche Eltern kennen das alles schon von der vorschulischen Betreuung. Dort trennt man Mirko und Mustafa mitunter noch rigoroser von Lukas und Ferdinand. Die begegnen einander oft  nicht einmal. Die Magistratsabteilung 11 unterhält im Augarten den wohl schönsten, luxuriösesten und best-ausgestatteten Kindergarten Wiens. Nur Mirko und Mustafa sucht man dort vergeblich. Ein Grund dafür ist nicht auszumachen, denn gleich außerhalb der Gartenmauer und über die Straße gibt es noch einen städtischen Kindergarten in dem sich die Kinder von Zuwanderern aus der Türkei und aus den Ex-Jugoslawischen Gebieten scharenweise tummeln.

In manchen Gruppen findet man kein einziges Kind mit Deutsch als Muttersprache. Wer sorgt in Wien für derartige Verhältnisse? Ist das die Bildungspolitik der Stadtregierung? Oder versuchen hier Kindergartenleitung und Volksschuldirektion einer gewissen Klientel vorauseilend entgegenzukommen? Wie passt das zur Forderung nach einer gemeinsamen Schule der Sechs- bis Vierzehnjährigen? (Leserkommentar, Robert Gordon, derStandard.at, 6.9.2013)