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Beate Zschäpe werden unter anderem Mittäterschaft an zehn Morden und Brandstiftung vorgeworfen.

Foto: APA/EPA/Kneffel

München - Atemlose Stille im Schwurgerichtssaal A101. Die Beteiligten im NSU-Prozess sehen sich am 33. Verhandlungstag tonlose Videosequenzen an. Mehrere Schwarz-Weiß-Filmchen werden an die beiden Wände links und rechts neben der Richterbank projiziert.

Ein sportlicher junger Mann schiebt zwei Fahrräder durchs Bild. Er trägt eine Schirmmütze, T-Shirt und Dreiviertelhosen. Dann schiebt ein weiterer junger Mann nur ein Fahrrad neben sich her. Auf dem Gepäckträger ist ein größerer Gegenstand zu erkennen. Die Gesichter der beiden sind nur zu erahnen.

Die Videos wurden am 9. Juni 2004 von zwei Überwachungskameras in Köln-Mühlheim aufgenommen. Immer mit zu sehen ist eine Treppe, auf der junge Leute sitzen, stehen. Einige gehen in ein Gebäude hinein, andere kommen heraus. Die Polizei in Köln konnte bis zum Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im November 2011 nicht klären, wer auf den Videos die Fahrräder schiebt.

Inzwischen sind sich die Ermittler sicher: Der junge Mann mit zwei Fahrrädern soll Uwe Böhnhardt sein, der zweite Mann Uwe Mundlos. Auf seinem Fahrrad könnte die Nagelbombe zu erkennen sein, die an diesem Tag in der Kölner Keupstraße gezündet wurde und zahlreiche Menschen teils schwer verletzte.

Richter Manfred Götzl ließ dieses Video im Gerichtssaal nach einem Filmausschnitt aus einer Fernsehsendung vom Juni 1998 zeigen, in der nach Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe gefahndet wurde. Eine Beamtin des Thüringer Landeskriminalamtes warnte vor den beiden Männern; sie könnten bewaffnet sein.

Ob die Reihenfolge der Videos Zufall war, bleibt offen. Bei der Akribie, mit der Richter Götzl seine Verhandlung führt, scheint es aber eher unwahrscheinlich. Erst ein Fernsehbeitrag, in dem unter anderem nach Böhnhardt und Mundlos gefahndet wird. Danach folgen Videosequenzen, in denen diese beiden aus Sicht der Ermittler gerade einen Bombenanschlag vorbereiten. Und keiner Sicherheitsbehörde war das aufgefallen.

Nur eine Ausnahme gab es. Nach dem Mord an Ismail Yasar am 9. Juni 2005 in Nürnberg waren einer Zeugin zwei Radfahrer in der Nähe des Imbiss-Stands des Opfers aufgefallen. Und diese Frau konnte dann auf den Videos auch Ähnlichkeiten erkennen.

Donnerstag schilderte eine weitere Zeugin vor Gericht, wie auch ihr kurz vor dem Mord an dem 50-jährigen Ismail Yasar zwei Radfahrer an dessen Imbiss-Stand aufgefallen waren. Beide sollen schwarze Kleidung getragen und der eine einen stechenden Blick gehabt haben. Die heute 53-jährige Musiklehrerin hatte etwa zwei bis drei Minuten nach dieser Begegnung mehrere Schüsse gehört.

Holpriger Beginn

Nach der vierwöchigen Verhandlungspause kam der NSU-Prozess am Donnerstag nur sehr holprig in Gang. Am Vormittag erklärte ein Verteidiger für den Angeklagten Holger G., dass dieser nicht weiter aussagen werde. Zuvor hatte Richter Manfred Götzl sich erkundigt, ob Holger G. bereit sei, weitere Angaben zu machen. Jener hatte bisher vor Gericht nur eine vorbereitete Erklärung verlesen und sich geweigert, Fragen der Nebenkläger sowie der Verteidiger zu beantworten.

Seit Mai verhandelt das Oberlandesgericht in München in dem Terrorprozess unter anderem gegen Beate Zschäpe, die mit den inzwischen gestorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gebildet haben soll. Ihr wird unter anderem die Mittäterschaft an zehn Morden sowie Brandstiftung vorgeworfen. (Kai Mudra aus München, DER STANDARD, 6.9.2013)