Justus Neumann übt sich in die Demenz ein: ein Stück über die Unausweichlichkeiten des Lebens.

Foto: Wolfgang Kalal

Wien - Das Exil des alten Königs ist ein Wunderwerk auf Rädern, zusammengezimmert aus Stangen, Brettern, Schnüren und einem Duschschlauch. Im kuscheligen Zelt seines Circus Elysium, das Justus Neumann vor dem Dschungel Wien aufgeschlagen hat, wird aus der Konstruktion (Greg Methé) eine für alle Effekte ausgerüstete Bühne für sich. In diesem multifunktionalsten aller Rollstühle thront Neumann als Herrscher einer sehr privaten Theater-Welt.

Der in schöner Unregelmäßigkeit aus Tasmanien Heimkehrende spielt in Alzheimer Symphonie einen Lear-Darsteller, der plötzlich nicht nur mit dem Memorieren seines vielgeübten Monologs Probleme bekommt. Die weißen Flecken in seinen Lebenserinnerungen werden immer mehr, die Brille ist plötzlich unauffindbar, die vermisste Socke taucht an einem Ort auf, wo sie wirklich niemand vermutet hätte. Wenn sich das Leben des Alternden nicht auf den Umkreis seiner Greifweite konzentrierte und ihm nicht "Verbündete" (Louie Manix) bei Bedarf eine Orientierungshilfe gäben, die Herausforderungen des Alltags wären wohl zu viel. So bleibt ihm zumindest noch die Zeit, Position gegenüber dem Vergessen zu beziehen.

Neumann greift auf die ganze Gefühlspalette zwischen Angst und Zuversicht, Zorn und Freude zurück und schafft kraft seiner Präsenz berührende Momente, in denen Melancholie und Witz stets vereint sind. Dabei wird die von Schuberts Unvollendeter begleitete Alzheimer Symphonie nie zum schrillen Getöse. Es handelt sich um eine sehr intime Aufführung.

Von Neumann mit Regisseur Hanspeter Horner erarbeitet, verwandelt die Inszenierung mit ihren zahlreichen Kunststückchen das Publikum in kindliche Zeugen des Bühnenzaubers (ab 14 Jahren). (Dorian Waller, DER STANDARD, 6.9.2013)