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Foto: Maria Ziegelböck

Diese neue Reise-Kolumne soll die Gründe aufzeigen, warum bestimmte Reiseziele einen Besuch wert sind. Und zwar Punkt für Punkt.

Erstens besitzt Estland laut Baedeker: "Eine Natur, die vielerorts wirkt, als hätten die Riesen der Eiszeit erst gestern ihr Spiel mit der Landschaft beendet". Das klingt gut, aber leider sind auch Riesenschritte nötig, um diese natürlichen Launen in ihrer ganzen Vielfalt zu erleben. Es sei denn: Man steuert für einen guten Überblick den Nationalpark Lahemaa an.

Zweitens ist Estlands Naturerbe für Eilige gut erreichbar: Der Lahemaa liegt nur 70 Kilometer östlich der Hauptstadt Tallinn und wird auch von Tourbussen angesteuert (etwa www.traveller.ee).

Drittens müssen sich Freunde der Vollständigkeit hier keine Sorgen machen, wichtige Teilaspekte des estnischen Ökosystems zu verpassen: Tatsächlich wurde die gesamte heimische Fauna und Flora – vom Moorhuhn bis zum Elch und vom Moor selbst bis zum Urwald – konserviert.

Viertens funktioniert dieser Nationalpark wie ein gigantisches Freiluftmuseum. 1971 richtete die ehemalige Sowjetunion eine Art estnische Spielwiese in den annektierten baltischen Territorien ein: Eben den 725 km2 großen Nationalpark Lahemaa – als überhaupt ersten in der UdSSR. Das hat dazu geführt, dass hier eine ländliche und herrschaftliche Architektur erhalten blieb wie selten wo in Estland.

Fünftens nimmt der Reisende im Lahemaa einfach das Rad und strampelt auf perfekten Wegen von bilderbuchtauglichen Landgasthäusern in eine der vielen idyllischen Blockhütten zum Übernachten. Im "echten Estland" geht das schon auch. Aber es bedarf dafür eben der Räder eines Riesen. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Rondo, 6.9.2013)