Die Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Beeinträchtigungen hängen vom Bundesland ab.

Foto: Lebenshilfe/Gisela Pfeiler, Sabine Pöltl

Wäre Herr M. in Wien zur Welt gekommen, hätte er jetzt wahrscheinlich einen Job. M. hat Lernschwierigkeiten und machte seit dem Jahr 2011 immer wieder Praktika in einem großen Einrichtungshaus in der Steiermark. Seine Arbeit machte er trotz seiner Einschränkungen so gut, dass ihm im darauffolgenden Jahr eine Arbeitsstelle angeboten wurde. Die Pensionsversicherung verhinderte das jedoch. Herr M. hätte all seine Leistungen verloren, die ihm aufgrund seiner Behinderung zustehen, wenn er auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht bestanden hätte. Die Stelle bekam jemand anderer.

Dass Menschen mit Beeinträchtigungen eine so genannte Rückversicherung haben, sollten sie ihre Arbeitsstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt verlieren, gibt es zurzeit nur in Wien. Da Menschen mit Lernschwierigkeiten oft nicht die geforderten 50 Prozent einer durchschnittlichen Arbeitskraft erbringen können, werden sie vom Bund als nicht arbeitsfähig eingestuft.

Neun unterschiedliche Regelungen

Somit ist weder das Arbeitsmarktservice noch das Bundessozialamt für sie zuständig. Die Kompetenzen erhalten die Länder. Dabei gibt es neun unterschiedliche Regelungen, die laut Lebenshilfe Österreich zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in den unterschiedlichen Bundesländern führen.

So ist zum Beispiel die Höhe des ausbezahlten Taschengelds für arbeitende Personen unterschiedlich geregelt. Erich Girlek arbeitet als Selbstvertreter und unterstützt Menschen mit Behinderungen, ihre Rechte zu erfahren und engagiert sich, dass sie am öffentlichen und politischen Leben teilnehmen können. Da er diese Tätigkeit in Salzburg ausübt, bekommt er für seinen 40-Stunden-Job ein monatliches Taschengeld von 102 Euro. Viele seiner Kollegen würden noch weniger finanzielle Unterstützung bekommen. Sozialversichert ist niemand von ihnen.

Vorarlberg als Inklusions-Vorreiter

Wäre er in Vorarlberg auf die Welt gekommen, würde das Land die Selbstbestimmungsstelle von Herrn Girlek finanziell subventionieren und er würde ein höheres Gehalt bekommen. Das kleinste Bundesland Österreichs ist zudem laut Lebenshilfe ein Vorreiter auf dem Bereich Inklusion am ersten Arbeitsmarkt.

Das Projekt "Spagat" ermöglicht es Menschen mit Einschränkungen eine Stelle in einem Unternehmen anzunehmen und das Land unterstützt durch eine Arbeitsassistenz, Mentoren und einem Lohnkostenzuschuss von bis zu 90 Prozent.

Kritik der Uno an Österreich

Laut Albert Brandstätter, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich, wären solche regionalen Projekte einfach auf die Bundesebene zu übertragen. Er kritisiert zudem die fehlende Transparenz bei finanziellen staatlichen Hilfe, die auf viele verschiedene Fördertöpfe aufgeteilt sein würden: "Das ist wie ein Hütchenspiel." Er fordert, dass sich die nächste österreichische Regierung die Kritik der Uno an der  Umsetzung der Behindertenrechte-Konvention zu Herzen nimmt und den bereits beschlossenen nationalen Aktionsplan rasch umsetzt.

Zudem fordert die Lebenshilfe ein Staatssekretariat für Inklusion in der nächsten Legislaturperiode, das sich für die Rechte der Menschen mit Beeinträchtigungen einsetzt. Dieses soll durch Behindertenbeauftragte in den Bundesländern und Gemeinden unterstützt werden.

Menschenrecht und keine Gnade

"Selbstbestimmte Teilhabe ist ein Menschenrecht und keine Gnade", sagt Friederike Pospischil, die Mutter von Kindern mit Beeinträchtigungen ist. Sie verweist auf die gesetzliche Lage in Niederösterreich, wonach das Land Regress fordern kann. Heißt, dass Eltern bis zu 20 Prozent ihres Gehaltes an das Land abführen müssen.

Viele Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung würden zudem täglich in Werkstätten oder im öffentlichen Raum von Gemeinden tätig sein. In ihrer Heimatgemeinde beinhaltet das zum Beispiel die Betreuung sämtlicher Grünflächen. Am Ende des Monats bekommen die Menschen für diese Tätigkeit zwischen 50 und 150 Euro. Laut Pospischil zu wenig, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. (Bianca Blei, derStandard.at, 5.9.2013)