Die südafrikanische Goldindustrie wird durch einen Massenstreik enorme Verluste hinnehmen müssen. Mit Beginn der Spätschicht am Dienstagabend haben rund 80.000 Bergleute ihre Arbeit in zahlreichen Goldbergwerken des Landes niedergelegt. Die Kumpels wollen mehr Lohn. Die Arbeitgeber behaupten, sie könnten ihren Forderungen wegen der bereits geschwächten Industrie nicht nachkommen. Verhandlungen zur Einigung laufen. Die Regierung bat um eine zügige Lösung des Bergbaukonfliktes angesichts des drohenden Verlustes von etwa 35 Millionen US-Dollar pro Tag (26,5 Millionen Euro). Diese enormen finanziellen Einbußen werden der ohnehin zu langsam wachsenden Wirtschaft des Landes zusetzen.

Einst produzierte Südafrika ein Drittel des Weltbedarfes an Gold. Jetzt ist die Goldindustrie geschwächt, der Abbau findet in immer tieferen Schichten statt und verschlingt mehr Kosten. Bereits im vergangenen Jahr war es zu massiven und gewaltsamen Streikwellen im Platin- und Goldsektor gekommen. Zahlreiche Schächte mussten geschlossen und die Produktion gedrosselt werden. Auch bei diesem Streik sind bereits 17 der 23 großen Konzerne von Produktionseinstellungen betroffen. Anglo Gold Ashanti, weltweit einer der größten Goldproduzenten, wird bestreikt. Auch andere führende Unternehmen wie Gold Fields und Harmony Gold.

Mehr Lohn

Die größte Arbeitnehmergewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) vertritt etwa zwei Drittel der Bergleute in der Goldindustrie. Sie forderten bis zu 60 Prozent Lohnerhöhung. Die Unternehmen boten bisher eine Anhebung von 6,5 Prozent. Das entspricht der jährlichen Inflationsrate. "Wenn die Firmen bereit sind, uns entgegenzukommen, werden wir uns auch mit unseren Forderungen bewegen", sagte NUM-Sprecher Lesiba Seshoka. Der Lohn für viele Arbeiter auf niedrigster Stufe unter Tage liegt derzeit bei 5000 Rand (370 Euro) pro Monat und ein einfacher Bergmann über Tage verdient rund 4700 Rand (348 Euro). Der Durchschnittslohn für Bergleute liegt bei rund 15.000 Rand.

Doch das Klima der Lohnverhandlungen wird durch verschiedene Gewerkschaften bestimmt. Seit dem vergangenen Jahr ist die neue Gewerkschaft AMCU (Association of Mine Workers and Construction Union) stärker geworden und beide Gewerkschaften liefern sich seither einen Machtkampf um mehr Einfluss in ihrem Industriesektor. Im vergangenen Jahr kam es bei Arbeitsunruhen durch Streiks und Proteste in Gold- und Platinbergwerken des Landes zu Gewalt und 50 Menschen starben.

Andauernde Streiks in der Automobilindustrie und bei den Bauunternehmen sind bereits problematisch für Südafrikas Wirtschaft, die mit einer hohen Arbeitslosigkeit von offiziell 25 Prozent (inoffiziell bei 40 Prozent) und einer geschwächten Währung kämpft. Für Präsident Jacob Zuma nimmt der Druck zu, die Arbeitsunruhen zu schlichten, will er im April 2014 wiedergewählt werden. Doch die Streiks und vorübergehenden Lohnanhebungen werden nicht langfristig zu einer Lösung führen, die das soziale Gefälle und das alte Apartheidsystem mit dem Einsatz der armen Arbeitsmigranten im südafrikanischen Bergbausektor verbessern. (Martina Schwikowski aus Johannesburg, DER STANDARD, 5.9.2013)