Wien - Es war keines der fünf großen Massenaussterbeereignisse der Erdgeschichte, das da vor 230 Millionen stattfand - aber für die betroffenen Spezies immer noch katastrophal genug. Erst etwa 20 Millionen Jahre zuvor hatte sich das größte aller Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze ereignet, das zugleich das Ende des Erdaltertums markiert.

An Land konnte sich nun das Leben für längere Zeit erholen. Im Ur-Ozean Tethys aber ereignete sich das, was Wissenschafter des Naturhistorischen Museums Wien nun näher untersuchten.

Foto: ALEXANDER LUKENEDER/NHMW

In der oberen Trias müssen Millionen rund ein bis drei Zentimeter großer Ammoniten flache Bereiche der Tethys bevölkert haben. Innerhalb kürzester Zeit starben diese Kopffüßer - warum, ist bis heute ein Rätsel. Hypothesen zur Ursache gibt es verschiedene, von Basalt-Eruptionen bis zur Entstehung einer neuen Gebirgskette auf dem Kontinent Laurasia, die das Klima so stark beeinflusst haben könnte wie in unserem Zeitalter der Himalaya.

"Möglicherweise war es eine Ökokatastrophe, etwa mit Sauerstoffmangel, vielleicht starben sie auch nach der Fortpflanzung, ähnlich wie dies heute noch bei vielen Tintenfischen der Fall ist", sagt Alexander Lukeneder von der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM. Schon als Student stieß er auf erste Fossilien in der Türkei, in den vergangenen Jahren haben die Wissenschafter die Gegend im Taurusgebirge im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts systematisch untersucht.

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Die Forscher entdeckten in einem Gebiet von rund acht Quadratkilometern acht Fundstellen mit bis zu einem Meter mächtigen Ammoniten-Kalkbänken. "Man geht hier regelrecht auf dem Dach des ehemaligen Riffs", erklärte Lukeneder und schätzt, dass die darüber liegenden Schichten mit Ammoniten die Überreste von mehr als 200 Millionen Tieren bergen.

In einem Gesteinsblock, kleiner als eine halbe Schuhschachtel, den Lukeneders Frau Susanne im Zuge ihrer Doktorarbeit genauer unter die Lupe nahm, fanden sich die Schalen von exakt 3.256 Kopffüßern. Zudem stießen die Forscher bei ihrer Untersuchung auf drei bisher unbekannte Ammoniten-Arten.

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Weil zwischen den Kalkschalen und dem umgebenden Kalkgestein keine Dichteunterschiede bestehen, konnte die Probe nicht mit Hilfe eines Computertomographen durchleuchtet werden. Millimeter um Millimeter wurde deshalb die Probe abgeschliffen, um schließlich aus 70 Schichtbildern exakte Größe und Lage jedes einzelnen Tieres bestimmen zu können.

Aus diesen Daten konnten die Wissenschafter zwar nicht ablesen, was die Ursache des Massenaussterbens war, aber immerhin die darauf folgenden Prozesse rekonstruieren. Die kalkigen Schalen der Ammoniten dürften von Strömungen am Meeresboden konzentriert worden sein. Aufgrund der Ausrichtung der Ammoniten gehen die Forscher davon aus, dass sie schließlich durch - von Erdbeben ausgelöste - marine Hangrutschungen zu ihrem endgültigen Ablagerungsort transportiert wurden.

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Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschafter nicht nur in der Fachzeitschrift "Palaeontology" veröffentlicht, sondern auch für ein breites Publikum aufbereitet. In Kooperation mit dem Animations-Unternehmen "7reasons" haben die Forscher die Ammoniten digital zum Leben erweckt und ihren urzeitlichen Lebensraum und die Vorgänge rund um die Ablagerung rekonstruiert.

Lukeneder hat zudem eine Dokumentation über die Arbeiten in der Türkei gedreht. Beide Filme werden am 2. Oktober im Vortragssaal des NHM im Rahmen der Reihe "Forschung aktuell" präsentiert. (APA/red, derStandard.at, 4. 9. 2013)


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NHM: "Urzeitliches Massensterben verfilmt"

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