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Jean Bousquet (li )Suzanne Clements (R) und Inacio Ribeiro

Als Jean Bousquet, Gründer und Inhaber der Pariser Modefirma Cacharel, zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder zu einem Defilee lud, um sein neues Designteam Clements Ribeiro - sprich Suzanne Clements und Inácio Ribeiro - und dessen erste Entwürfe für sein Haus vorzustellen, titelte das amerikanische Modemagazin Elle ganz aufgeregt: "Wird es Cacharel noch einmal gelingen, die Art, wie wir uns kleiden, zu verändern?"

Foto: APA/Pierre Verdy

Eine Frage, die im Gedächtnis haften blieb. Warum ausgerechnet Cacharel? Wofür steht eigentlich der Name, den zwar jeder kennt, an dessen Mode aber sich kaum noch jemand erinnern kann? Einst waren die fröhlichen Drucke und ihre lebhaften Farben eine internationale Sensation. Doch heute sind sie verblasst, im Gegensatz zu den Düften, die mittlerweile den Namen Cacharel umwehen. "Anaïs Anaïs" gehört zu den meistverkauften Parfums dieser Welt. In Amerika ist es "every girl's first scent", berichtet Elle. Auch das kapriziöse "Loulou" und das geheimnisvolle "Noa" sind keine Unbekannten. 1999 wurde Letzteres als "bestes europäisches Parfum" ausgezeichnet.

Foto: Cacharel

In erster Linie jedoch ist "Cacharel" ein kleiner Vogel in der Camargue, der Jean Bousquet, der in Nîmes geboren wurde, Glück bringen sollte. Er war Fußballspieler gewesen, eher er 1956 nach Paris ging. Dort ließ er sich zum Schneider ausbilden, machte seinen Meister und gründete 1962 unter dem Namen "Jean Cacharel" eine Modefirma. Warum? "Weil die Mode so langweilig war", bemerkt er lachend. "Damals gab es nicht viele Farben, nur Blau und Grau. Die Mädchen begannen, in den Kleiderschränken ihrer Großmütter nach etwas Buntem, Fröhlichem zu suchen."

Foto: Cacharel

Jean Bousquet witterte seine Chance. Er kreierte "le chemisier crépon", eine Hemdbluse aus Seersucker, einem Stoff, den man in den 60er-Jahren nur für Unterwäsche verarbeitete. Mit Button-down-Kragen und ohne Abnäher schnitt er sie wie die Hemden amerikanischer College-Boys. Als sie in Pink den Sprung aufs Titelbild der französischen Elle schaffte, sollte er die Bluse innerhalb eines Jahres 300.000-mal verkaufen. Prompt bot er sie in 45 verschiedenen Farben und Drucken an. Zum Symbol eines neuen, unabhängigen Frauenbilds wurde "le Cacharel", wie die Bluse damals nur noch hieß, aber erst, als Brigitte Bardot sie unter dem schönen Busen einfach knotete und dafür auf jeglichen Büstenhalter verzichtete.

Foto: Cacharel

"In jenen Jahren haben wir das Pariser Prêt-à-porter erfunden", sagt Jean Bousquet rückblickend. "Neben der Haute Couture gab es nur die Hausschneiderin und eine recht ,madamig' aussehende Konfektion. Wir aber wollten Mode, die unserem Lebensgefühl entsprach, frisch, simpel und sexy aussah, aber trotzdem ein Gespür für Design bewies. Und sie musste erschwinglich sein - bereit, sofort getragen zu werden: prêt à porter."

Foto: Cacharel

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Dass er seinen Erfolg in den Siebzigerjahren noch übertreffen sollte, konnte Cacharel-Gründer Jean Bousquet nicht ahnen, als ihm 1968 ein paar Meter Liberty-Stoff auf den Schreibtisch flatterten. Die pastellig kolorierten, sanften Blümchenmuster aus der Hochzeit des englischen Jugendstils, nach ihrem Schöpfer Arthur Liberty benannt, waren damals hoffnungslos "oldfashioned". Für Jean Bousquet jedoch verwoben sie auf unnachahmliche Art die Flower-Power der späten Sixties mit dem romantischen Flair der Nostalgie, das die Seventies beherrschen sollte. Liberty-Blümchen wurden damals zum Synonym für Cacharels Mode. Heute erinnert man sich ihrer nur noch als Beiwerk in den verträumten Stimmungen und Szenerien ihrer Anzeigenmotive.

Foto: APA/Jean-Pierre Muller

In den Achtzigerjahren begann Cacharels Ruhm zu verblassen. Die Parfums traten in den Vordergrund. Die Mode, so behaupteten die bösen Zungen der Branche, würde, kaum ausgeliefert, in den Discountläden verramscht. Jean Bousquet spielte mit dem Gedanken, alles zu verkaufen. Da fiel ihm ein fröhlicher Kaschmirpullover in die Hände mit großen, bunten Talertupfen, der so simpel gestrickt war wie ein T-Shirt. Er gefiel ihm so sehr, dass er beschloss, es noch einmal zu versuchen. Per Headhunter bot er den Schöpfern des kleinen Pullovers, dem Ehepaar Clements / Ribeiro, an, Cacharel fürs neue Jahrtausend umzurüsten.

Foto: Cacharel

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Suzanne Clements ist Engländerin und Strickexpertin. Ihr Mann, Inácio Ribeiro, war schon in seiner brasilianischen Heimat als Designer bekannt, bevor sie sich in der Central St. Martin's School of Art in London - wo sonst? - kennen und lieben lernten. 1992 wurde geheiratet, ein Jahr später das eigene Label gegründet, das auf Anhieb wegen seiner fröhlichen Muster in lebhaften Farben erfolgreich war.

Foto: APA/Pierre Verdy

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Als sie im Sommer 2001 Premiere bei Cacharel feierten, begnügten sie sich zwar farblich mit dem Blau-Weiß-Rot der französischen Nationalflagge, der Trikolore, doch ihr ungezwungener Mustermix aus Matrosenringeln und Geishablumen, Vichy-Karos und chinesisch inspirierten Rokokobildern ließ das Heute bereits ahnen. "Unser Talent ausleben", sagt Suzanne Clements, "können wir erst jetzt." Zur Mode kamen Babykleidung, Badeanzüge, Taschen und Gepäck hinzu. Außerdem sind sie für die Optik der Läden und Anzeigen verantwortlich. Männermode soll folgen.

Foto: APA/Pierre Verdy

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"Was uns wirklich fasziniert", fügt Inácio Ribeiro hinzu, "ist die Idee hinter Cacharel. Das ist das Bestreben, in einer Zeit, in der andere Prêt-à-porter fast so teuer ist wie die Haute Couture, Mode zu entwerfen, die aufgrund ihres Designs Relevanz hat, weil sie den Zeitgeist trifft, die attraktiv aussieht und für jeden Geldbeutel erschwinglich sein soll." Jean Bousquet sieht das ganz lapidar: "Der Grundgedanke der Prêt-à-porter ist wieder zurückgekehrt!" (DerStandard/rondo/Peter Bäldle/01/08/03)

Foto: REUTERS/Jack Dabaghian