Diese Kolumne ist der Versuch, den politischen Prozess "Die Grünen basteln eine neue Mariahilfer Straße" ohne Häme darzustellen - als Fallstudie einer bis jetzt schiefgegangenen stadtverändernden Maßnahme. Als solche symptomatisch über Wien hinaus. Anmerkung: Der Autor hat kein Auto, fährt gelegentlich mit dem Rad in der Stadt, benützt häufig öffentliche Verkehrsmittel und geht nicht selten auf der Mariahilfer einkaufen.

Sehen wir uns diesen Prozess im Spiegel der Artikeltitel im STANDARD-Archiv an. Beginnend mit dem 16. 8.: "Die Ära Fußgängerzone hat begonnen". So weit, so gut. Dann folgt schon: "Verwirrung auf dem Asphalt" - niemand kennt sich aus. Es folgt: "Am Samstag keine 13A-Busse mehr auf der M.H." - die Busspur deckt fast die ganze Fußgängerbreite ab; niemand will dort gehen. Daher: weg mit dem Bus am Haupteinkaufstag. 

Das Wort Nachbesserungen

Doch das reicht nicht, vor allem weil die Busfahrer bocken. Also: "13A wird nicht mehr durch Fußgängerzone fahren". Aber wo? Weiß man nicht, aber Vizebürgermeisterin Vassilakou spricht von "Plan B". Die Umplanung wird einige Monate dauern, aber es taucht ohnehin ein neues Problem auf: "Laser gegen rasende Radler". Die vielen Radler in der Fußgängerzone halten sich nicht an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Es soll gestraft werden. Aber vorher hält man ihnen noch schriftliche Ermahnungen in 1.-Stock-Höhe vor: "Transparente und Umleitung des 13A: Nachbesserungen auf der MH".

Das Wort Nachbesserungen ist gefallen. Eine davon: "13A fährt am Samstag mit geteilter Linienführung". Inzwischen ist Bürgermeister Häupl nervös geworden: "Häupl will Vassilakou 'noch' nichts diktieren". Die ist aber abgelenkt und sagt zum Standard: "Manche Radfahrer haben es nicht verstanden". Nochmals werden Strafen angedroht. Als Entlastung gibt es aber "zusätzliche Sitzgelegenheiten in der Zone". Und sonst? "Pseudo-Radweg muss weichen". Auf jenem etwa zwei Meter breiten Fahrbahnstück neben der Busspur, auf dem bisher (viele) Radfahrer und (wenige) Fußgänger unterwegs waren, werden die Radfahrer-Piktogramme weggefräst. Die Radler haben nämlich geglaubt, das ist ein Radweg, und die Fußgänger weggescheucht.

Irgendwann wird die Zone funktionieren

Genug. Bis Ende der ersten Septemberwoche soll Vassilakou dem Häupl eine Lösung präsentieren. Denn das Problem dieser Fußgängerzone war ja, dass niemand dort zu Fuß geht, solange der Bus und die Radler dazwischenfahren. Oder vielleicht, weil die Gehsteige ohnehin breit genug sind. Ob die Mariahilfer Straße jetzt unbedingt dieses große Prestigeprojekt der Wiener Grünen hat sein müssen, könnte man auch diskutieren. Gewiss, die Autos sind jetzt dort weg (dafür in den Nebengassen). Mehr aber nicht.

Entscheidend ist, ob hier jemand vielleicht das Handwerk (noch) nicht beherrscht. Das stadtplanerische Handwerk nicht, weil man sich das alles nicht vorher überlegt hat. Das politisch-psychologische Handwerk nicht, weil die unablässigen Nachbesserungen ganz schlechte Stimmung machen. Irgendwann wird die Zone funktionieren. Bis dahin werden die Grünen aber viel politisches Kapital verbraucht haben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 4.9.2013)