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Gerichte ziehen Grenzen für Beleidigungen.

Foto: REUTERS/Ricardo Moraes

Ein für seine zehnjährige Betriebszugehörigkeit geehrter Mitarbeiter stellt ein Foto auf seine Facebook-Seite. Das Gruppenfoto zeigt ihn umringt von Mitgliedern des Betriebsrats, den Geschäftsführern und dem Bereichsleiter. Mit Ausnahme des Mitarbeiters sind alle abgebildeten Personen einer sozialdemokratischen Gesinnung zuzuordnen.

Als Facebook-Freund erhielt ein Betriebsratsmitglied eine Verständigung von dem neuen Foto und hinterließ folgenden Eintrag: "du bist a harta hund, wie haltst des nur aus zwischen die ganzen roten Socken?" Daraufhin antwortete der Mitarbeiter: "Ich ersuche sachlich und höflich zu bleiben." Der Beklagte schrieb zurück: "... wenns ned höflich war würd i schreiben wie hoits des aus zwischen den rodn o***asch". Ihm war bewusst, dass dieser Eintrag vom "Freundeskreis" des Kollegen (371 Freunde) gelesen werden konnte.

"rode o***asch"

Das Unternehmen klagte den Betriebsrat beim Arbeitsgericht und erhielt die Zustimmung zur Entlassung. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG Linz (12 Ra 34/13a) legte zunächst dar, dass der Begriff "rote Socken" aufgrund des zweiten Eintrags im Sinne von "rode o***asch" zu verstehen war. Es handle sich um eine "authentische Interpretation" durch den Arbeitnehmervertreter.

Nicht gelten ließ das Gericht den Einwand des Beklagten, er habe das Schimpfwort nicht ausgeschrieben. In einem umgangssprachlich-lautschriftlich geschriebenen Satz habe er durch die Verlängerung des Wortes mittels dreier Sternchen zusätzlich die Interpretation als Steigerungsform - etwa im Sinne von "Ober-" - ermöglicht. Daher sei gerade der zweite Eintrag unmittelbar beleidigend gegenüber den Abgebildeten (mit Ausnahme des geehrten Mitarbeiters).

Auch der Verweis des Belegschaftsvertreters auf den von ihm mit einem bestimmten Arbeitskollegen gepflogenen "rauen Umgangston" hatte keinen Erfolg. Dass ein solcher Sprachgebrauch im Unternehmen allgemein üblich wäre, konnte das Gericht nämlich nicht feststellen.

Für das Gericht waren die Äußerungen des Belegschaftsvertreters geeignet, Autorität und Ansehen der Betroffenen im Betrieb herabzusetzen und ihr Ehrgefühl zu verletzen. Im Verfahren hatten beide Geschäftsführer erklärt, durch die Facebook-Einträge persönlich sehr betroffen zu sein.

Für die Entlassung von Betriebsratsmitgliedern stellt jedoch das Gesetz eine zusätzliche Hürde auf. Die gerichtliche Zustimmung darf nur erteilt werden, sofern aufgrund der Ehrverletzung eine "sinnvolle Zusammenarbeit" zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nicht mehr zu erwarten ist (§ 122 Abs 1 Z 5 ArbVG). In diesem Zusammenhang argumentierte der Beklagte, dass er mit den Geschäftsführern kaum persönlichen Kontakt habe. Dem einen Geschäftsführer sei er überhaupt nur namentlich bekannt. Außerdem verfüge der Betriebsrat über mehrere Mitglieder. Er selbst sei weder Betriebsratsvorsitzender noch dessen Stellvertreter und vertrete den Betriebsrat daher auch nicht gegenüber dem Arbeitgeber.

Letzte Chance beim OGH

Das Berufungsgericht überzeugte diese Argumentation zwar nicht. Eine derart eingeschränkte Auslegung des Gesetzes sei gleichsam ein "Freibrief für Beleidigungen jeglicher Intensität". Mangels einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur wurde dem Beklagten jedoch die Möglichkeit eingeräumt, diese Rechtsfrage durch den OGH klären zu lassen. Eine Entscheidung zugunsten des Funktionärs wäre freilich eine Überraschung: Für Beschimpfungen mit Wörtern wie "Arschloch" und dergleichen hatte das Höchstgericht in der Vergangenheit wenig Verständnis. (Andreas Tinhofer, DER STANDARD, 4.9.2013)