So präzise, so artikuliert, so gedanklich diszipliniert wie Peer Steinbrück (und abgeschwächt auch: wie Angela Merkel) in der TV-Diskussion sollten die Unseren einmal reden können. Besonders Steinbrücks Schlusswort war eine kleine Modellrede, fehlerlos in die Kamera gesprochen. Es ist keine neue Erkenntnis, dass deutsche Politiker in Sätzen mit einem Anfang, einer Mitte und einem Schluss reden können. Es fiel an diesem Abend nur wieder besonders auf.

Österreich hatte und hat wirkungsvolle Redner, aber kaum formal beeindruckende. Haider war ein Volksredner mit demagogischer Sogwirkung, aber letztlich ein verhunztes Talent: Reden für Gröler und Johler. Kreisky war intellektuell unendlich anspruchsvoller, aber er war kein Rhetor im klassischen Sinn. Er war ein Geschichtenerzähler, ein Meister der Anekdote und der Kaffeehauspointe. Er und auch Julius Raab ("Staatsvertragskanzler") regierten mit brummigen Aphorismen. Das ist auch eine Kunst, aber keine klassische Redekunst.

Hugo von Hofmannsthal hat im Kriegsjahr 1917 die einander fremden Verbündeten "Preuße und Österreicher" gegenübergestellt: "Stärke der Dialektik - Ablehnung der Dialektik"; "Größere Gewandtheit des Ausdrucks - Mehr Balance"; "Behauptet und rechtfertigt sich selbst - Bleibt lieber im Unklaren". Das eine muss übrigens nicht besser sein als das andere. Aber es hört sich besser an. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 3.9.2013)