Wien - Der scheidende Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), Clemens Jablomer, übt vehemente Kritik am geplanten Demokratiepaket mit Volksbefragungsautomatik. Er halte es für "einen Unsinn", sagte er im Interview mit der "Presse". Man sollte nicht die parlamentarische Demokratie schwächen, indem man die Plebiszite wie angedacht ausbaut. Neuerungen sind vor der Nationalratswahl aber ohnehin so gut wie ausgeschlossen, da SPÖ und ÖVP die mitunter recht kritischen Begutachtungsstellungnahmen in Ruhe diskutieren wollen.
Er sei zwar selber für mehr plebiszitäre Demokratie, die Politik solle von sich aus mehr Volksabstimmungen über Gesetze abhalten und Volksbegehren ernst nehmen. "Aber in unser System etwas einzubauen, mit dem das System letztlich selbst über Bord geworfen werden kann, ist unverantwortlich."
Die sozialen und ökonomischen Verhältnisse könnten sich ändern. "Wenn man etwas in die Verfassung schreibt, muss man damit rechnen, dass das in zehn, 15 Jahren unter ganz anderen Voraussetzungen ausgenützt wird", so der VwGH-Präsident, der mit Jahresende aus dem Amt scheidet.
Ende der Demokratie möglich
Die Frage, ob durch das Demokratiepaket ein Ende der Demokratie möglich werde, bejahte Jabloner. Zwar solle es laut Entwurf Schranken geben. "Aber es ist naiv zu glauben, dass ein solcher Volkswille nicht trotzdem in genau diesen verpönten Bereichen artikuliert wird: also wenn es um Minderheiten, Außenseiter oder supranationale Einflüsse geht."
"Fürchte Macht der Demagogen"
Das Volk sei nicht dumm, aber "ich fürchte die Macht der Demagogen". Jabloner verwies auch auf "sehr scharfe" und fast vergessene Kompetenzen des Bundespräsidenten, die sich im Prinzip gegen die parlamentarische Demokratie richteten. Es könnte ja sein, so Jabloner, "dass wir einmal nicht wie gewohnt einen Bundespräsidenten des josephinischen Typs haben, sondern jemanden ganz anderen. Und dann kann dieser zusammen mit plebiszitären Instrumenten die Demokratie völlig aushebeln".
Bereits in der Begutachtung hatte der VwGH Kritik an dem Paket geübt, ebenso wie die Präsidentschaftskanzlei, der Verfassungsgerichtshof oder der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. Dass die Neuerungen noch vor der Nationalratswahl beschlossen werden, ist aufgrund des Zögerns von SPÖ und ÖVP aber ohnehin so gut wie ausgeschlossen. (APA, 2.9.2013)