Ein halbes Jahrhundert lang hat Ray Lambrecht, ein Chevrolet-Händler im tiefsten Mittleren Westen der USA, mehr als 500 Oldtimer angesammelt. Nun wird der Schatz versteigert. Das Besondere: 50 der Preziosen wurden noch nie gefahren

Im Jahr 1996 hat Ray Lambrecht die Zeit angehalten. Damals verließ er zum letzten Mal seine Werkstatt, schlug die Tür zum Verkaufsraum seiner Chevrolet-Niederlassung hinter sich zu und wurde Rentner. Mit 78 Jahren, immerhin. Das war in Pierce, US-Bundesstaat Nebraska.

Außerhalb des 1.700-Einwohner-Kaffs hat in jenen Tagen kaum einer von dem Ende einer 50 Jahre alten Institution Notiz genommen. Doch bis in die 1980er war "Lambrecht Chevrolet Co." eine Topadresse für Freunde der Marke, die von weit her nach Pierce kamen - nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Preise: "It will pay to see Ray", lautete der einprägsame Slogan des Hauses - und tatsächlich zahlte es sich für viele aus, bei Ray vorbeizuschauen. Schließlich gab es bei dem Chevy-Dealer keine unwürdigen Verhandlungen. Der Vollblutverkäufer nannte einen fixen Preis - und jeder Kunde konnte darauf vertrauen, einen "Bang for the Buck" vom Hof zu ziehen.


Pierce, Nebraska: Kleiner Ausschnitt aus Rays Sammlung. Bald fällt der Hammer.

Trotz reger Geschäftstätigkeit sind Ray während seiner aktiven Zeit immer wieder ein paar Wagen übrig geblieben. Einige hat er wiederum aus Sentimentalität behalten. Bis er im Laufe der Jahrzehnte einen riesigen Fuhrpark zusammengetragen hatte, der seit 1996 nahezu unberührt auf dem Lambrecht-Areal dahinweste. Dort würden die klassischen amerikanischen Schönheiten mit Namen Impala, Biscayne, Vega, Caprice und El Camino noch immer vor sich hingammeln, wenn nicht Rays Tochter Jeannie Stilwell ihren Dad jahrelang bekniet hätte, die Sammlung aufzulösen. Rost und Diebe, so die hartnäckige Tochter, würden sonst den Job erledigen.

Irgendwann ließ sich der heute 95-Jährige doch noch bekehren. Nun ist es so weit: Am 28. und 29. September ist bei Lambrechts Rausverkauf. Nicht weniger als 500 Fahrzeuge können online oder vor Ort ersteigert werden, der Katalog des Auktionshauses Van der Brink Auctions bildet nichts weniger als die nahezu komplette Chevy-Modellhistorie von 1946 bis 1980 ab. (Die Baujahre danach konnten Ray offenbar nicht mehr so begeistern.) Aber auch ein paar ausgewählte Fremdmarken fanden Eingang in den illustren Fundus.

Ungefahrene Neuwagen im Angebot

Abseits der konzentrierten Masse an Raritäten versetzt vor allem eines internationale Sammler in rasende Verzückung: Einige von Rays Preziosen sind zwar jahrzehntealt, haben aber gerade einmal ein- oder zweistellige Meilen-Angaben auf dem Zähler. Bei manchen der ungefahrenen Vintage-Neuwagen klebt sogar noch das "Manufacturer's Statement of Origin" (MSO), also der Überstellungsschein der Chevrolet-Fabrik, am Blech. Man darf also getrost von einem Super-Scheunenfund sprechen, der da unter den Hammer kommt.

Wir werfen aus gegebenem Anlass einen kleinen Blick in Rays Garage sowie auf die Historie von Lambrecht Chevrolet und zeigen einige der Schätze aus dem morbid-schönen Fuhrpark.

Zur Ansichtssache:

Ray Lambrecht hinter der Budel seiner Chevrolet-Vertretung in Pierce, Nebraska. 50 Jahre hielt der Autohändler die Stellung. 1996 war Schluss. Zurück blieb die Erinnerung an ein hartes Arbeitsleben. Zurück blieben auch 500 Andenken an die besseren Jahre der amerikanischen Automobilgeschichte - eine riesige Autosammlung mit Schwerpunkt Chevrolet.

Foto: Van der Brink Auctions

Kriegsheimkehrer Lambrecht im Jahr 1946 gemeinsam mit seiner frisch angetrauten Mildred. Mit 28 Jahren stieg Ray in die Chevy-Niederlassung seines Onkels ein. Zwei Jahre darauf war er der Boss und fortan Mister "It will pay to see ray" Lambrecht.

Foto: Van der Brink Auctions

Der amerikanische Traum ist 1953 im Mittleren Westen und damit auch in Pierce angekommen. Im Bild: Mildred, Sohn Mark, die eigene Firma und ein elegischer Beweis, es geschafft zu haben: eine Chevrolet Corvette. (Die Überstellungskennzeichen stören bei der Beweisführung kein bisschen.)

Foto: Van der Brink Auctions

"Lambrecht Chevrolet Co." war nicht gerade ein Großunternehmen: Ray und Mildred arbeiteten sechs Tage die Woche durch, mehr als ein Mechaniker stand bei Lambrecht während der 50 Jahre nie im Sold. Sohn Mark (links) ist also nur auf Besuch. Erfreut sind Ray und der eine Mechaniker (Mitte).

Foto: Van der Brink Auctions

Nebenbei kultivierte Ray, der sich einen Ruf als genialischer Verkäufer erarbeitet hatte, ein exaltiertes Hobby: Im Laufe der Jahre sammelte er an die 500 Fahrzeuge, naturgemäß meist Chevrolets, an. Viele waren Modelle, die Kunden in Zahlung gegeben hatten und die keine Käufer mehr fanden. Andere waren Fahrzeuge, die der Mann aus purer Liebhaberei einfach behielt. Darunter sind nicht wenige Neuwagen, die nach der Überstellung nicht einmal ausgepackt wurden.

Foto: Van der Brink Auctions

Konservierung und Pflege waren offenbar nicht unbedingt das Faible des Amerikaners. Der Mann ließ die Geräte einfach stehen. In der Werkststatt, am Hinterhof, auf einer Brache ums Eck.

Foto: Van der Brink Auctions

Ein durchaus grotesker Fuhrpark ist dem Chevy-Händler unter der Hand erwachsen. Sammelwut allein kann es wohl nicht gewesen sein, die diese Parade identer Pick-up-Trucks entstehen ließ. Aber was wissen wir schon von den unergründlichen Tiefen der Fuhrpark-Psychologie.

Foto: Van der Brink Auctions

Am 28. und 29. September kommt dieser Super-Scheunenfund unter den Hammer. Zu erwerben sind große Momente des amerikanischen Automobilbaus wie etwa dieser 1959er Chevrolet Biscayne ...

Foto: Van der Brink Auctions

... und dieser 1963er Chevrolet Impala.

Foto: Van der Brink Auctions

Ziemlich aufwühlend für Fans der Marke dürften jene Modelle sein, die der seltenen Kategorie "jahrzehntealter ungefahrener Neuwagen" zuzuordnen sind. Diese Indy Pace Car Corvette von 1978 gehört zu dieser raren Spezies.

Foto: Van der Brink Auctions

Der Blick in den Innenraum verrät: Das Präsent wurde nicht einmal ausgepackt. Kleiner Makel: Das Höchstgebot bei der Online-Auktion liegt jetzt schon bei 35.500 Dollar.

Foto: Van der Brink Auctions

Ebenfalls mit einstelliger Meilenanzahl auf der Uhr läuft dieser 1958er Cameo Pickup auf. Die Delle am Dach ist nicht ganz original.

Foto: Van der Brink Auctions

Schlimmer hat es jene Raritäten erwischt, die Ray Lambrecht auf einer Wiese nahe seinem Chevy-Shop abgestellt hat: Chevrolet Biscayne Wagon von 1965 im fortgeschrittenen Stadium der Kompostierung.

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Manche nennen das ein Desaster, andere eine Aufgabe. Für einige wenige wiederum ist das Kunst.

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Hier wird ein stolzer Veteran nur noch von Flugrost zusammengehalten.

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Nicht viel besser steht es um diesen Ford Falcon Club Wagon.

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Und diesem herrlichen El Camino wünschen wir eine baldige Auferstehung.

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Nach einem kleinen "Make-over" sollte auch der 1959er Chevrolet Biscyane wieder in aller Pracht unterwegs sein. Vielleicht erbarmt sich ja ein Gangsta-Rapper.

Foto: Van der Brink Auctions

Neben längst Verschiedenen wachsen aber auch sensationelle Fundstücke aus dem Boden von Nebraska: Eine nahezu perfekt erhaltene Einrichtung aus der quietschbunten Ära des US-Automobilbaus.

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Wer hingegen Lust auf verpackte Original-Ersatzteile hat, wird bei dem Abverkauf in Rays Kontor ebenfalls bedient.

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Von der nagelneuen Radkappe bis zur limitierten Chevrolet-Single mit dem schönen Titel "Corvair Baby", gesungen von Paul Revere and the Raiders, wird einiges geboten.

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Seltene Vintage-Werbung kommt bei der Versteigerung ebenfalls unter den Hammer.

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Kurzum: Die Hallen sind mit echten Raritäten gefüllt.

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Ab 28. September ist es so weit: Dann wird Pierce, Nebraska zum Nabel der Welt - so es um automobiles Kulturgut geht. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 3.9.2013)

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