90 Minuten lang standen die beiden im Berliner Studio Adlershof nebeneinander und wurden von vier Moderatoren befragt. Eines vorweg: Grobe Patzer sind weder Angela Merkel noch Peer Steinbrück passiert, und es war nicht so, dass man nach diesem "Duell" vor lauter Pulverdampf nichts mehr sehen konnte. Ein richtiges Duell war es über weite Strecken auch nicht, vielmehr standen die beiden nebeneinander und sonderten ihre Meinung zu Themen hintereinenander ab.
Zunächst war dem Herausforderer die Nervosität deutlich anzusehen und auch anzuhören. Merkel hingegen wirkte locker und deutlich weniger angestrengt. Doch im Laufe des Gesprächs drehte sich die Situation, streckenweise trat Steinbrück viel angriffslustiger auf, die Kanzlerin hingegen wirkte müde.
Die meiste Zeit jedoch versuchte sie sich staatstragend zu geben und zu vermitteln: "Den meisten Deutschen geht es heute besser als vor vier Jahren". 2009 endete die große Koalition, Merkel koaliert seither mit der FDP. Ihr Herausforderer Peer Steinbrück hingegen erklärte: "Das Land ist so schlecht regiert wie nie." Er habe die "Vorstellung von einem Land, in dem jeder von seiner Hände Arbeit leben kann und in dem man in Würde altern kann". Und in dem zudem die Kommunen handlungsunfähig, weil nicht total brankrott seien.
Steinbrück wirbt für Mindestlohn
Steinbrück warb erneut für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, Merkel hingegen erklärte, sie wolle diese Angelegenheit lieber den Tarifpartnern überlassen, es sei kein Fall für die Politik. Dies, erwiderte Steinbrück, sei bloss ein "Flickenteppich", der nicht akzeptabel sei.
Ein zentrales Thema waren mögliche Steuererhöhungen. Während Merkel betonte, sie wolle auf keinen Fall Steuern erhöhen, weil sie die Bürger nicht noch weiter belasten wolle, erklärte Steinbrück, dass jene Deutschen, die das höchste Einkommen haben, auch mehr zum Haushalt beitragen müssten: "Die fünf oberen Prozent müssen stärker herangezogen werden." Der Eindruck, den Schwarz-Gelb zu vermitteln versuche, nämlich, dass "die SPD mit kalter Hand ins Portemonnaie greift", sei falsch.
NSA-Affäre als Merkels Schwachpunkt
Schwächen zeigte Merkel, als sie auf die NSA-Affäre angesprochen wurde. Ob E-Mails, die von Deutschland via USA verschickt werden, ausspioniert werden könnten, fragte ARD-Moderatorin Anne Will. Merkels Antwort: "Ich weiß es nicht, jedes Land hat seine eigenen Regeln. Wir verhandeln darüber." Bei diesem Thema geriet Merkel erkennbar ins Schwimmen, man merkte ihr an, dass ihr das Thema unangenehm war.
Umgekehrt passierte Steinbrück bei der Frage nach Pensionen (für Beamte) und der gesetzlichen Rente ein Lapsus. Beamtenpensionen dürften nicht "überproportional" steigen, meinte er. Auf Nachfrage, was denn da schieflaufe, konnte er aber keine Angaben machen und auch keine Zahlen nennen, erwiderte grantig auf entsprechende Nachfragen: "Das können Sie nicht aus mir herauskitzeln."
Merkel konterte daraufhin, die meisten Beamten in Deutschland seien Justizmitarbeiter oder Polizisten, also Beschäftigte "mit kleinem Gehalt". Diese sollten "genau hinhören", was Steinbrück da sage, meinte sie.
Steinbrück zeigte einmal mehr, dass er der rhetorisch versiertere Teilnehmer war. Während Merkel beim Thema Griechenland-Hilfe erklärte, es gehe in dem betroffenen Land auch um "Leistung und Eigenleistung", meinte Steinbrück, auch er sei für Haushaltskontrolle, aber "nicht in einer tödlichen Dosis"
Steinbrück verweigert Antwort
Für Heiterkeit sorgte Steinbrück, als die Frage gestellt wurde, ob jemand meine, die Gehälter für Politiker seien zu hoch. Da meinte Steinbrück: "Glauben Sie im ernst, dass ich auf diese Frage noch einmal eingehe?" Er hatte ja Weihnachten für Aufregung gesorgt, als er erklärte, das Kanzlergehalt in Deutschland sei zu niedrig.
Merkel hatte indirekt noch eine gute Nachricht für die Österreicher: "Es wird keine Pkw-Maut geben." Also auch nicht die von Horst Seehofer (CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident) geforderte Pkw-Maut für Ausländer.
In seinem Schlussstatement erklärte Steinbrück, das Land habe vier Jahre "Stillstand" erlebt, "vieles ist liegen geblieben oder ausgesessen worden". Es brauche eine Regierung, "die geführt wird, die handelt". Nur so könne sich das Land zum Besseren entwickeln. "Wir brauchen Maß und Mitte" erklärte er, wir wollen "mehr Wir, weniger Ich".
Merkel, die das letzte Wort hatte, betonte: "Wir hatten vier gute Jahre für Deutschland." Ganz "gewiss" wolle sie keine höheren Steuern und neue Belastungen. Sie lege zwar Wert darauf, dass "die Stärkeren den Schwächeren helfen", aber auch, dass sich Leistung lohne. Sie trug übrigens zum dunklen Hosenanzug eine Kette in den Farben Schwarz-Rot-Gold. (Birgit Baumann aus Berlin, derStandard.at, 1.9.2013)