John Kerry verbrachte als Kind viele Monate im bretonischen Saint-Briac-sur-Mer. Aber nicht deshalb bezeichnete er die Franzosen als "unsere ältesten Verbündeten". Paris bleibt vielmehr auch nach dem britischen Rückzieher an der Seite der USA.
In der Sache hat der US-Außenminister recht: Frankreich hatte die Amerikaner im 18. Jahrhundert noch vor der Gründung der USA militärisch gegen die britische Kolonialmacht unterstützt. Trotzdem sorgt die neue Konstellation im "transatlantischen Gunstwettbewerb", wie sich die Journalistin Cécile Feuillatre ausdrückt, für große Aufregung.
Der britische Verteidigungsminister Philip Harmmond spricht verärgert von einer "Umkehrung der üblichen Position". Schließlich war das eigensinnige Frankreich nicht immer mit den USA verbündet gewesen. Charles de Gaulle hatte das Nato-Oberkommando verlassen, weil er den Amerikanern so wenig traute wie den Sowjets. 2003 las der gaullistische Außenminister Dominique de Villepin den USA vor dem Sicherheitsrat die Leviten, als die Bush-Administration ohne explizites Uno-Mandat den zweiten Golfkrieg vom Zaun brach.
Einzig Villepins US-Kollege Colin Powell wahrte seinen Humor und meinte, die USA und Frankreich befänden sich eben seit 200 Jahren in einer "Ehetherapie". Die zwei stolzen Nationen messen sich weiterhin gerne. Die einstige Grande Nation hat es bis heute nicht verschmerzt, dass die neue Weltmacht ihren universellen Zivilisationsanspruch übernommen hat. Und der American Way of Life ist ziemlich anders als jener im nach außen antikapitalistischen Frankreich, wo das Savoir-vivre hochgehalten wird.
Umso mehr erstaunt es, dass an der Seine gerade ein Sozialist den "ultraliberalen" Amerikanern die Stange hält. Dabei hatte Hollande am pro-amerikanischen Kurs seines Vorgängers Nicolas Sarkozy kein gutes Haar gelassen. Jetzt zeigt sich der linke Waffenbruder aus Paris mit Barack Obama bewusst auf Augenhöhe.
Die Mehrheit dagegen
Ganz neu ist Hollandes Position nicht: Der sozialistische Expräsident François Mitterrand hatte 1991 beim ersten Golfkrieg mitgemacht. Wie damals fehlt es auch jetzt nicht an Einwänden von linker wie auch gaullistischer Seite. 64 Prozent der Franzosen sind gegen eine Syrien-Intervention. Viele vermissen die Legitimation durch die Uno. Nicht nur Villepin hatte im zweiten Golfkrieg darauf gepocht, sondern die gesamte französische Diplomatie seit Jahrzehnten. Dass gerade Hollande diese völkerrechtliche Wegmarke umwirft, stößt vielen bitter auf.
Die Nationalversammlung wird am Mittwoch über den geplanten Militäreinsatz debattieren. Eine Abstimmung ist nicht vorgesehen. Viele Parlamentarier verlangen sie trotzdem nach britischem und amerikanischem Vorbild. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 2.9.2013)