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Barack Obama verkündet seine Entscheidung im Rosengarten des Weißen Hauses. Vizepräsident Joe Biden steht an seiner Seite.

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Ankunft der UNO-Inspektoren und ihres Untersuchungsmaterials in Den Haag.

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Offiziell wollten Regierungsvertreter sich am Sonntag nicht zum Rückzieher der USA äußern. Hinter verschlossenen Türen hätten vielejedoch "fassungslos" auf den überraschenden Schritt reagiert, schrieb die israelische Zeitung "Yedioth Ahronoth".

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Washington/Damaskus – US-Präsident Barack Obama will sich den geplanten Militärschlag gegen das syrische Regime vom Kongress absegnen lassen. Nach seiner Überzeugung sollten die USA einen Angriff führen, um auf einen Giftgas-Einsatz des Regimes mit mehr als 1400 Toten zu reagieren: "Ich bin bereit, den Befehl zu geben", erklärte Obama am Samstag im Rosengarten des Weißen Hauses in Washington. Die USA seien aber stärker, wenn die Entscheidung vom Kongress getragen werde. Deshalb bitte er um dessen "Autorisierung" durch einen Gesetzesentwurf, in dem er den Kongress formell um die Genehmigung für die Militärintervention in Syrien auffordert. Das Potenzial künftiger Giftgas-Anschläge in Syrien solle durch diesen Militäreinsatz "zurückgehalten, unterbrochen, verhindert und geschwächt werden", heißt es im Entwurf.

Die US-Streitkräfte im östlichen Mittelmeer seien jederzeit bereit für einen Angriff, dieser sei "zeitunabhängig" und könne "morgen, in der nächsten Woche oder in einem Monat" stattfinden. Einmal mehr betonte der US-Präsident, dass die Intervention "begrenzt" sein werde und keine Bodentruppen involviert sein würden. Die USA müssten reagieren: "Wir können nicht die Augen davor verschließen, was in Damaskus passiert ist", so Obama. Der US-Präsident äußerte sich nicht auf eine Journalisten-Frage, was er im Falle eines Neins des Kongresses tun werde.

Syrische Medien: "Historischer Rückzieher"

Syrische Staatsmedien haben die Entscheidung, einen Militärschlag zu vertagen, gefeiert. "Obama hat gestern direkt oder durch Implikation den Beginn des historischen amerikanischen Rückziehers verkündet", hieß es am Sonntag in einem Kommentar auf der Titelseite der amtlichen Tageszeitung "al-Thaura".

Entscheidung frühestens am 9. September

Der US-Kongress wird nach Angaben des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses John Boehner nicht vorzeitig aus der Sommerpause zurückkehren. Somit beginnt die parlamentarische Debatte in der Woche vom 9. September.

Hochrangige Vertreter des Weißen Hauses gaben sich gegenüber Journalisten optimistisch, die Zustimmung des Kongresses für den Militärschlag gegen Syrien zu erhalten. Sie begründeten das mit der Gefahr, die Chemiewaffen für Israel und andere Verbündete in dieser Region darstellen würden.

Republikaner kündigen Widerstand an

Zwei einflussreiche republikanische Senatoren kündigten allerdings schon an, Obamas Pläne nicht zu unterstützen. John McCain und Lindsey Graham verkündeten am Samstag, dass sie einem begrenzten Militärschlag nicht zustimmen könnten, da er nicht Teil einer größeren Strategie sei. Die geplante Intervention bringe weder Syriens Präsidenten Bashar al-Assad zu Fall noch beende sie den Konflikt, hieß es in einem Statement.

Syrische Opposition enttäuscht

Die syrische Opposition hat sich "enttäuscht" über die Entscheidung von US-Präsident Barack Obama gezeigt, vor einem möglichen Militärschlag zunächst den Kongress zu konsultieren. Er gehe aber davon aus, dass die Abgeordneten einem Angriff auf die Truppen von Staatschef Bashar al-Assad zustimmten, sagte Samir Nashar, ranghoher Vertreter der Nationalen Syrischen Koalition, am Sonntag. Die Opposition habe allerdings mit einem "unmittelbaren und sofortigen" Militärschlag gerechnet.

Obamas Last-minute-Entscheidung

Obama hat seine Meinung zu einer US-Intervention in Syrien offenbar in allerletzter Minute geändert. Der Präsident habe erst Freitagnacht entschieden, vor einem militärischen Eingreifen den Kongress zu befragen und das, obwohl im seine Berater davon abgeraten hätten, sagen ranghohe Mitarbeiter des Weißen Hauses, die anonym bleiben wollten.

Aus dem Umfeld des französischen Premiers Francois Hollande hieß es Samstagabend, Obama habe Hollande vor seiner Rede telefonisch informiert. Hollande habe dabei betont, Syrien weiter für den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff am 21. August sanktionieren zu wollen. Hollande verstehe jedoch, dass die USA grünes Licht vom Kongress einholen wollten. Die Rückendeckung Frankreichs könnte allerdings durch die Veröffentlichung weiterer Geheimdokumente über die Arbeit des US-Geheimdiensts NSA schwinden. Demnach wurden auch das französische Außenministerium, sowie Botschaften und Konsulate von der NSA überwacht.

Weiters setzt der Entschluss Obamas, den Kongress miteinzubeziehen, auch die französische Regierung unter Druck. Die konservative Opposition in Frankreich fordert nun ebenfalls, dass das Parlament über die Beteiligung am Militärschlag entscheidet. Regierungschef Jean-Marc Ayrault teilte am Sonntag mit, dass die Regierung am Montag führende Parlamentarier im Syrien-Konflikt informieren werde.

Assad-Anhänger flüchten

In Syrien griff nach der Abreise der UNO-Chemiewaffenexperten die Furcht vor einem baldigen Militärschlag um sich. Zahlreiche Flüchtlinge überquerten die Grenze zum Libanon – unter ihnen auch viele Unterstützer der Regierung von Präsident Bashar al-Assad. In Vororten der Hauptstadt Damaskus trainierten Ärzte mit ihren Teams den Ernstfall.

Die letzten UNO-Chemiewaffenexperten trafen am Samstag nach ihrer Abreise aus Damaskus in den Niederlanden ein. Die von den Inspektoren mitgebrachten Proben würden nun "in ein halbes Dutzend Labors in der Welt gebracht, in Ländern, die nicht politisch verwickelt sind", sagte ein Sprecher der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW). Die Untersuchungen würden "mindestens zwei Wochen" in Anspruch nehmen.

Ban drängt Experten zur Eile

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon drängte das Team zur Eile: Die Ergebnisse sollten so rasch wie möglich vorgelegt werden. Darum habe Ban den Leiter der Gruppe, den Schweden Ake Sellström, in einem Telefonat gebeten, sagte UNO-Sprecher Martin Nesirky am Samstag in New York. Die Vereinten Nationen würden den Bericht erst vorlegen, wenn die von ihnen gesammelten Proben untersucht sind. Die Laboruntersuchungen zur Auswertung könnten allerdings "bis zu drei Wochen" dauern, teilte die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCW) mit. Der OVCW-Sprecher Michael Luhan sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Proben würden "in ein halbes Dutzend Labors in der Welt gebracht" – in Länder, die "nicht politisch involviert" seien. Dabei werde jede Probe – sei es von Böden, Wasser oder Blut – geteilt und jeder Teil von einem anderen Labor untersucht, damit verlässliche Ergebnisse erzielt würden. Die überstaatliche Organisation OPCW ist mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der 1992 unter der Ägide der UNO abgeschlossenen Konvention gegen Chemiewaffen zu überwachen.

Auch das syrische Regime treibt unterdessen seine Vorbereitungen auf einen westlichen Angriff weiter voran: Die Armee verlegte Einheiten in Wohngebiete der Hauptstadt Damaskus. Außerdem hätten regimetreue Soldaten Ausrüstung in Wohngebäude, Schulen und Studentenwohnheime geschafft, sagten Einwohner der Nachrichtenagentur dpa. Eine Moschee im Viertel Al-Mezzeh sei in eine Art Kaserne verwandelt worden. Als Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Regime reiste eine Delegation des iranischen Parlaments nach Damaskus, wie die Nachrichtenagentur ISNA meldete. (red/APA, derStandard.at, 31.8.2013)