Ein Kranich auf dem Weg in den Süden, begleitet von einem Ultraleichtflugzeug.

Foto: oe Duff, Operation Migration USA

Washington - Schreikraniche sind ziemlich außergewöhnliche Tiere: Sie gelten mit rund 1,50 Meter Höhe als die größten Vögel Nordamerikas und können in freier Wildbahn mehr als 30 Jahre alt werden. Diese Langlebigkeit änderte nichts daran, dass Schreikraniche heute zu den seltensten Vögeln der Welt gehören: Rund um 1940 haben überhaupt nur noch rund 20 Exemplare existiert.

Dank umfangreicher Schutzanstrengungen ist ihre Population wieder etwa gewachsen. Mittlerweile existieren rund 250 wild lebende Tiere, die zwischen ihren Brutgebieten in Kanada und ihrem Winterquartier in Texas hin- und herfliegen. Zusätzlich zu dieser Population bemühten sich Wissenschafter um eine Wiederansiedlung der Vögel im Osten Nordamerikas, konkret in Maryland.

Dabei standen sie allerdings vor einem Problem: Wie sollten die in Gefangenschaft geborenen Kraniche lernen, die beste Flugroute ins Winterdomizil in Florida zu finden?

Die Wissenschafter griffen dabei auf das gleiche Hilfsmittel zurück wie ihre mitteleuropäischen Kollegen bei der versuchten Wiederansiedlung des Waldrapps: Sie begleiteten die jeweils erste Generation der Schreikraniche mit Ultraleichtflugzeugen. Dann mussten sich die Tiere mit ihren Artgenossen allein orientieren. Die offene Frage war, wie sie das tun.

Nach Auswertung aller Flugdaten zwischen 2002 und 2009 kommen Forscher um Thomas Mueller im Fachblatt "Science" zu einem recht eindeutigen Ergebnis: Genetische Verwandtschaft oder das Geschlecht hatte ebenso wenig Einfluss auf die gute Routenwahl wie die Größe der Gruppe. Entscheidend war das Alter und die Erfahrung der Vögel, die ihr Wissen anscheinend den Jungen fliegend weitergaben. (tasch/DER STANDARD, 31.8.2013)