Per Funk sind die wandernden Theatergäste mit Protagonisten wie der zornigen Magd Anna verbunden. Die Kulisse des hinteren Ötztals gibt sich sanfter.

Foto: Ötztal Tourismus / Ernst Lorenzi

Friedl wird vom 1. bis 21. September an 14 Tagen gespielt. Packages ab 59 Euro (eine bis vier Nächte). Tickets bei Ötztal Tourismus oder über die Vermieter. Erwachsene: 29 Euro, Jugendliche: 19 Euro.

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Friedl Wandertheater

Foto: Ötztal Tourismus / Ernst Lorenzi

Auf dem Hohlen Stein, einem mythenumrankten Felsbrocken hoch über Vent, sitzt die fesche, aber harsche Magd Anna und wacht über ihre Schafe. Unter dem Felsvorsprung, von dem der Stein seinen Namen hat, müht sich ein groß gewachsener Mann beim Holzspalten ab. Weil er sich dabei äußerst ungeschickt anstellt, klettert die zierliche Anna vom Stein herunter, macht den Großen mit einem Ötztaler Wortschwall ganz klein und nimmt dem Nichtsnutz die Hacke weg. Warum der Bauer den da aufgenommen hat, ist ihr ein Rätsel. Diese ungewöhnliche Szene bietet sich einer ungewöhnlichen Wandergruppe: dem Publikum des Freilufttheaters "Friedl mit der leeren Tasche". Die wandernden Theatergäste, per Funk mit der zornigen Anna verbunden, freut sich über das Geplänkel der beiden und ahnt: Da bahnt sich was an.

Was Anna noch nicht weiß: Der handwerklich unbegabte Mann ist ihr Landesfürst, als solcher auf der Flucht und bei braven Venter Bauern im Asyl. So will es die Tiroler Legende vom "Friedl mit der leeren Tasche", die Friedrich, Herzog von Tirol, als leutseligen Bauernfreund im Clinch mit der Adelsklasse, darstellt.

Hubert Lepka stellt mit seinem Künstlernetzwerk Lawine Torrèn die mittelalterliche Fluchtepisode in den Ötztaler Bergen nach. 1416 soll Friedrich vom Konstanzer Konzil, bei dem er Gegenpapst Johannes XXIII. unterstützt hatte, vor Kaiser Sigismund geflüchtet sein. Und in Vent Zuflucht gefunden haben. Dass der Habsburger jemals in Vent war, bezweifelt Mittelalter-Historiker Klaus Brandstätter. Viele Überlieferungen aus dem Mittelalter seien mehr Geschichten als Geschichte, erzählt er Medienleuten bei der ersten Vorstellung des Projekts Wandertheater. Weil der Friedl und die Bauern eine gute Story sind, wird sie nun im Ötztal auf ungewöhnliche Weise erzählt. Hubert Lepka und sein Ensemble machen aus der Sage eine Wanderung durch die archaische Berglandschaft des hinteren Ötztals.

Man könne die Landschaft rund um die Rofenhöfe, die als Österreichs höchstgelegene Hofsiedlung gelten, als "Reservat der Zeit", als "rohe Idylle" sehen, sagt Regisseur Lepka. Ötztal Tourismus beschreibt die "authentische Kulisse für Friedls Flucht über den Alpenhauptkamm" als pure Idylle: "In den Weiten des hinteren Ötztals, auf über hundert Quadratkilometern, leben heute noch immer wenig mehr als hundert Personen. Große Teile der Landschaft werden heute noch so bewirtschaftet wie vor 600 Jahren, zur Zeit Friedls. Das Niedere Tal weist heute noch immer keine erkennbaren Spuren des 21. Jahrhunderts auf." So fügt sich Legende zu Legende.

Wissenschaftlich belegt ist die lange Besiedelung des hinteren Ötztals. Der Hohle Stein, eine der sieben Stationen des Wandertheaters, wurde von Forschenden der Universität Innsbruck als prähistorische Lagerstätte steinzeitlicher Jäger und Hirten identifiziert. Vom Ziel der Theater-Wanderung, der Martin-Busch-Hütte auf 2500 Metern Seehöhe, sind es nur noch zwei Gehstunden über eine Seitenmoräne des Niederjochferners zur Similaunhütte, in deren Nähe 1991 Ötzi, die Gletschermumie gefunden wurde. Aber so weit hinauf gehen Friedl und sein Publikum nicht. Die maximal 100 Theatergäste überwinden bei der Tageswanderung von acht bis 16 Uhr rund 600 Höhenmeter, die reine Gehzeit beträgt viereinhalb Stunden.

Es funkt im Gebirge

Treffpunkt ist unten im Dorf, bei der Holzhütte, mittlerweile Friedlhütte genannt, neben dem Hotel Vent. Über die Hängebrücke geht es durch das Niedere Tal zur Martin-Busch-Hütte, schließlich über den Niederjochbach zum Marzellkamm.

Auf gut begehbaren Wanderwegen folgt man dem Ensemble über Weiden, Almwiesen, durch Latschen, dann über der Baumgrenze durch schroffe Felslandschaft. An sieben Stationen trifft man Friedl und Co. Über Ohrknöpfe ist das Publikum immer mitten im Geschehen, egal wie weit das Ensemble entfernt ist. Oben in der Hütte wird über das Gesehene räsoniert.

Weil das schöne Wetter nicht fix zum Ensemble gehört, gibt es drei Wandervarianten: Die Schönwettertour wie beschrieben, die Fastschönwetter-Variante ist eine Stunde kürzer, bei Schlechtwetter bleibt man im Dorf. Dann darf sogar in der Pfarrkirche gespielt werden. Pfarrer Josef Singer hat sich überzeugen lassen, dass beim Friedl nichts Unflätiges passiert. (Jutta Berger, Album, DER STANDARD, 31.8.2013)