"Kein Anlass für allzu große Sorgen": Claudia Schmied.

Foto: STANDARD/Fischer

STANDARD: Regelmäßig zu Schulbeginn taucht er auf, der "Lehrermangel". Aus dem Ministerium heißt es dann: Halb so schlimm. Also: Haben wir jetzt einen oder nicht?

Schmied: Wir werden auch dieses Jahr zu Schulbeginn punktuell Probleme haben. In einzelnen Regionen, in einzelnen Fachbereichen. Ich bin in engstem Kontakt mit den Landesschulräten und dem Stadtschulrat für Wien, die die Detailplanung machen, und wir gehen davon aus, dass wir das wieder gut lösen können.

STANDARD: In welcher Form?

Schmied: Es werden wieder Sondermaßnahmen notwendig sein, also Veränderung bei Teilzeitregelungen, Überstundenleistungen, den einen oder anderen Lehrer überreden, dass er noch nicht in Pension geht, aber auch Studierende, die im Studium schon sehr weit fortgeschritten sind, einsetzen, und natürlich Sonderverträge für Quereinsteiger. Damit werden wir das gut hinbekommen. Man muss das immer auch in Relation sehen, es geht um 115.000 Arbeitsplätze, so betrachtet ein Megakonzern, und wir leben nicht in der kommunistischen Planwirtschaft, wo man jemanden zwingen kann. Das heißt, da geht's immer auch um Angebot und Nachfrage.

STANDARD: Kann man den "punktuellen Mangel" quantifizieren?

Schmied: Es wird sich im dreistelligen Bereich bewegen. Wir haben jetzt noch die Nachprüfungen, die endgültige Gruppeneinteilung entscheidet sich in diesen Tagen.

STANDARD: Wer oder was ist schuld an dieser Situation? Ein Planungsdefizit von Ihnen oder Nachwehen des berühmten Briefs an die Maturanten von Elisabeth Gehrer 2001, in dem sie vom Lehramt abriet?

Schmied: Bitte verabschieden wir uns von diesem schrecklichen Spiel "Wer hat Schuld?". Es geht um Anreize, es geht darum, den Lehrberuf attraktiv zu gestalten, auch um das große Thema Image der Lehrer, Wertschätzung. Wir müssen ein Bündel von Maßnahmen setzen, aber das Problem bewegt sich in einer Größenordnung, die jetzt nicht zu allzu großen Sorgen Anlass gibt, zumal sich die Situation ja auch entspannt durch die steigende Zahl der Studierenden. 2007 gab es 7000 an den Pädagogischen Hochschulen, jetzt sind wir bei 15.000. Und natürlich ist die Beschäftigung von Lehrerinnen und Lehrern ein Arbeitsmarkt, da sind attraktive Gehälter, Leistungskomponenten, Karrierechancen notwendig, da setze ich große Hoffnung in das neue Dienst- und Besoldungsrecht, zu dem aber auch eine höhere Unterrichtsverpflichtung gehört. Beides ist für die Zukunft notwendig.

STANDARD: Mit Ihrer Gesamtrechnung haben Sie natürlich recht, aber für die konkrete Klasse ist es doch ein Problem, wenn da ein Student auf hohem Niveau herumdilettiert. Ist das keine Zumutung?

Schmied: Ich habe mit einigen Betroffenen gesprochen. Sie finden Personen, die überglücklich sind, ganz junge Menschen als Bezugspersonen zu haben, die darauf brennen, zu unterrichten, und sich freuen, jetzt schon diese Aufgabe übernehmen zu können, natürlich eingebettet in ein Lehrerteam und begleitet. Das will ich pauschal nicht verurteilen.

STANDARD: Fürchten Sie eigentlich, dass Sie zu Schulbeginn mit einem Lehrermangel der besonderen Art konfrontiert sein könnten, nämlich dass die Lehrer aus Protest gegen das Lehrerdienstrecht, das ohne das Ja der Gewerkschaft in Begutachtung geschickt wurde, streiken?

Schmied: Ich vertraue da auf die Einschätzung von Sozialminister Rudolf Hundstorfer als langjährigem ÖGB-Präsidenten, dass die Vorgehensweise - seit 2012 wurden viele Gespräche mit der Lehrergewerkschaft geführt sowie Wünsche eingearbeitet - und der Inhalt - ein neues Dienst- und Besoldungsrecht nur für neu eintretende Lehrerinnen und Lehrer - wohl nicht dazu führen wird, dass die Lehrergewerkschaft zu so drastischen Maßnahmen greift. Das würde auch in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen.

STANDARD: Sie hätten kein Verständnis für Protestmaßnahmen?

Schmied: Nein, hätte ich nicht, zumal wir jetzt in einem Begutachtungsverfahren sind. Die Frist dafür endet ein paar Tage vor der Wahl, dann wird es bewertet, daher sind wir dann schon in der nächsten Legislaturperiode, wo sicher auch noch Gespräche mit der Gewerkschaft geführt werden.

STANDARD: Wie sehr hat diese eher unübliche Vorgangsweise das Verhältnis zur Gewerkschaft belastet?

Schmied: Man muss einmal sagen, dass der Schritt, das Gesetz jetzt in Begutachtung zu schicken, ein absolut richtiger Schritt der Regierung war. Es geht um die Kultur der Sozialpartnerschaft. Im Wirtschaftsbereich denkt die Gewerkschaft immer auch das allgemeine Wohl mit, sprich den Fortbestand, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Ähnliches müssen wir doch auch bei der Gewerkschaft öffentlicher Dienst erwarten dürfen. Wir brauchen ein neues, attraktives und leistungsorientiertes Dienstrecht, das leistbar sein muss für die öffentliche Hand und die neue Schule ermöglicht. Es gilt also, über die reinen Dienstnehmerinteressen auch das Allgemeinwohl im Auge zu behalten.

STANDARD: Hat die Lehrergewerkschaft das strapaziert?

Schmied: Ja, aus meiner Sicht hat sie das: die Dauer der Verhandlungen, die Form der Inszenierung, die Wortwahl, die Kommentierungen, das passt nicht zusammen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 30.8.2013)