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Scientology hat Dossiers über Personen erstellen lassen, die Anonymous angehören sollen.

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Das Strafverfahren gegen Wilfried Handl wurde eingestellt. Scientology sah ihn als "Anführer" von AnonAustria.

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Die Masken, die dem Porträt des britischen Königsgegners und miltanten Katholiken Guy Fawkes (1570 - 1606) nachempfunden sind, sind das Markenzeichen von zahlreichen Protestbewegungen, wie etwa Anonymous, geworden. Die Masken wurden durch den Comic und Film "V wie Vendetta" bekannt.

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Scientology Österreich hat im Rahmen einer Strafanzeige gegen Anonymous Austria versucht, die Mitglieder des Hackerkollektivs ausfindig zu machen. Die Personen wurden anhand erstellter Dokumente beschuldigt, sich Zugang zu E-Mails der Sekte verschafft zu haben. Die Dossiers über die betroffenen Personen hat Scientology als Beweismittel vorgelegt.

Zahlreiche Beschuldigte

Gegen die Veröffentlichung der Mails beziehungsweise das Eindringen in das Scientology-System erstattete Scientology Österreich kurz nach dem Leak Strafanzeige - unter anderem gegen den Ex-Scientologen Wilfried Handl, den Scientology als Anführer von Anonymous Austria sieht. Neben Handl wurden laut dessen Anwalt Johannes Öhlböck noch mindestens 15 weitere Personen im Rahmen der Anzeige genannt.

"Herabwürdigung religiöser Lehren"

Vorgeworfen wurde ihnen, gegen drei Paragrafen des Strafgesetzbuchs verstoßen zu haben: Einerseits sollen sie sich widerrechtlich Zugriff auf Computersysteme verschafft haben (Paragraf 118) und Zugangsdaten missbraucht haben (Paragraf 126), andererseits sah Scientology in der Veröffentlichung der E-Mails eine Herabwürdigung religiöser Lehren (Paragraf 188).

Scientology warf Handl vor, sich bereits im März 2011 Zugriff auf Scientology-Mails verschafft zu haben. Diese wurden allerdings erst im Juni von Anonymous Austria über deren Twitter-Account veröffentlicht. Genaueres will Handl dazu in einem Buch im September veröffentlichen, das als PDF frei zugänglich gemacht werden soll. Darin beschreibt Handl drei Jahre, in denen er gegen Scientology gekämpft hat.

"Keine anerkannte Religionsgemeinschaft"

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren Ende August ein, da man bei allen Beschuldigten "keinen tatsächlichen Grund" zur weiteren Verfolgung sehe. Mangels Nachweisbarkeit der Tat wurden also auch die Ermittlungen gegen Wilfried Handl eingestellt. Hinsichtlich Paragraf 188 Strafgesetzbuch, also der Herabwürdigung religiöser Lehren, sieht die Staatsanwaltschaft ebenfalls keinen Grund zur weiteren Ermittlung, da es sich bei Scientology um "keine anerkannte Religionsgemeinschaft" handle.

Kontakt zu professionellen Hackern

Interessant sei vor allem, sagt Anwalt Öhlböck, dass das Ganze nach dem Jugendstrafrecht abgehandelt wurde. Unter den Beschuldigten dürften sich nämlich auch Minderjährige befunden haben. Scientology behauptete, Wilfried Handl habe "Anonymous generell und AnonAustria im Speziellen" beauftragt, die E-Mails von Scientology zu leaken. Als Beweis legte Scientology den Behörden Dokumente vor, die zeigen sollten, dass Handl Kontakt zu professionellen Hackern der Gruppe Anonymous habe.

Dossiers über angebliche Anonymous-Mitglieder

Diese Beweisunterlagen sind laut Handl Dossiers über Personen, die der Ex-Scientologe nach eigenen Angaben nicht kennt. Eine davon soll der mutmaßliche Kontaktmann zwischen Handl und Anonymous gewesen sein. Bei allen drei Beschuldigten soll es sich um deutsche Staatsbürger handeln. Die Dossiers dürfte eine dritte Person außerhalb von Scientology erstellt haben. Darauf deuten zumindest die Formulierungen in den besagten Dossiers hin. Dieser Auftragnehmer soll seinen eigenen Angaben zufolge eine Liste von über 80 Personen erstellt haben, über die Informationen eingeholt wurden - die Liste mit den "Top-80-Leuten".

Details über angebliche "Sony-Hacker"

Die Unterlagen, die über diese Personen vorliegen, beinhalten Fotos und Angaben wie "einfacher Soldat und Mitläufer, unterstützte aber K. (ein anderer von Scientology Beschuldigter, Anm.) maßgeblich bei dem Sony-Hack". Auch Telefonnummern und Adressen sind in den Dateien enthalten. Die Beschreibungen der Personen wirken teilweise sehr vage und ungenau und behandeln auch angebliche Charaktereigenschaften und Freizeitbeschäftigungen der Personen.

Immer wieder findet man auch Stellen, in denen steht, worauf Scientology bei den Personen jeweils zu achten hat. Bei einem Beschuldigten schreibt der Ersteller der Dossiers beispielsweise: "Theoretisch ist er bereits ein Fall für die Behörden - aber ein rankommen [sic!] ist nicht möglich. Momentan verfolgen wir bei ihm die Strategie, dass wir den Twitter-Account beobachten, weil er dort hin und wieder schreibt, wenn er in eine größere Stadt fährt. Digital ist er [sic!] so ohne weiteres nicht beizukommen."

Kopfgeld von Sony?

Die Beschuldigten sollen Anonymous Deutschland und Anonymous Österreich angehören. Der Ersteller der Dokumente, dessen Name nicht bekannt ist, behauptet weiters, Sony habe auf eine der genannten Personen ein Kopfgeld wegen eines großangelegten Hacks aussetzen wollen. Wie viele Personen Scientology Österreich in die Strafanzeige aufnehmen ließ, ist nicht klar. Handls Anwalt Johannes Öhlböck behauptet allerdings, dass Handl an 16. Stelle erwähnt gewesen sei. Wie viele Namen danach noch folgten, ist unbekannt. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen vorerst jedenfalls eingestellt.

Die Vorgeschichte

Im Juni 2012 veröffentlichte Anonymous Austria interne E-Mails von Scientology Österreich. Die Dateien wurden von den Netzaktivisten zum Download bereitgestellt und waren für jedermann zugänglich. Der ehemalige Scientologe Handl nahm das zum Anlass, die E-Mails kritisch auf seinem Blog zu kommentieren. Scientology klagte den Blogger und musste eine Niederlage einstecken.

Scientology-Österreich war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Zwei schriftliche Anfragen wurden ebenfalls nicht beantwortet. (Iwona Wisniewska, derStandard.at, 9.9.2013)