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Bilder des Klimawandels, die in den Medien häufig zu sehen sind: Helfer retten Opfer einer Überflutung wie hier im Osten Russlands ...

Foto: APA/EPA/RUSSIAN EMERGENCY MINISTRY

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....und ein Schafhirte geht im südlichen Indien über einen durch Hitze und Dürre ausgetrockneten Boden.

Foto: Mustafa Quraishi/AP/dapd

Wer Papier, Aluminium oder Bioabfälle vom Restmüll trennt, darf sich selbstverständlich als umweltbewusster Konsument bezeichnen. Allein sein Frustrationspotenzial sollte relativ groß sein: Da liegt mitunter Biomüll in biologisch nicht abbaubaren Plastiksackerln verpackt. Dort hat sich eine Bierdose zum Altpapier verirrt, obwohl nur eine Gasse weiter ein Alu-Container steht. Wer hat sich da nicht schon gedacht: "Mit meiner Mülltrennung erreiche ich nichts".

Resignation könne sich vor allem angesichts der Größe des Problems einstellen, meint Lukas H. Meyer vom Institut für Philosophie an der Universität Graz. "Bei der Lösung der Aufgabe, die Emission von Schadstoffen weltweit drastisch zu reduzieren, kann der einzelne umweltbewusste Konsument keinen erkennbaren Unterschied machen", sagt er zum Standard. Dazu kommt: Die Kosten für einen klimaschonenden Alltag seien verhältnismäßig hoch. Um das zu erkennen, genüge schon ein Vergleich zwischen Bioprodukten und Billigwaren im Supermarkt.

"Das Problem erfordert eine politische Lösung, die es nur geben kann, wenn sich Staaten und Staatengruppen auf Regeln einigen, die zu weniger Emission führen", wiederholt Meyer bekannte Argumente. Weniger Emission bedeute letztlich aber einen Verzicht auf Wohlstand - egal, ob er sich durch das eigene Auto, die Flugreise in den sonnigen Süden oder den allwöchentlichen Rindfleischbraten zeigt.

Tragische Verknüpfung

Vertreter sogenannter Entwicklungsländer würden zu Recht darauf bestehen, sich entwickeln und den Lebensstandard erhöhen zu können, sagt Meyer. Dass der Wohlstand mit mehr Emission gekoppelt sei, empfindet Meyer gerade in diesem Zusammenhang als "tragisch". Man müsste, um globale Gerechtigkeit in der Frage des Klimawandels zu erreichen, die Kosten für die Bewältigung seiner Folgen gerecht aufzuteilen. Meyer: "Das würde Verzicht für die westliche Welt bedeuten und sich gegen die Begünstigungen und den Wohlstand richten, der eben durch die vermehrten Emissionen entstanden ist." Und es würde ein Umlernen verlangen: "Wir müssten ein Leben leben, an das wir derzeit in der westlichen Welt nicht gewöhnt sind." Meyer ist überzeugt, dass die Bürger der OECD-Länder zu einer Lösung beitragen können, "wenn sie glaubhaft machen, mit weniger Emission auskommen zu können und zu wollen".

Unbewusste Reaktionen

Doch ist eine derart strukturierte Herangehensweise an das Problem Klimawandel immer möglich? Herrscht in vielen Fällen nicht vor allem deshalb Bewusstsein dafür, weil man selbst von den Folgen - Überflutungen, Hitze- und Kältewellen - betroffen ist? Der Sozialpsychologe Immo Fritsche von der Universität Leipzig unterscheidet in diesem Zusammenhang kontrollierte Reaktionen auf die Bedrohung Klimawandel von solchen, die unbewusst und automatisch ablaufen. Erstere könnten sich eben in einem veränderten Konsum- und Verkehrsverhalten oder in der Akzeptanz "grüner" Politikerinhalte zeigen. Dabei warnt Fritsche gegenüber dem Standard vor "extremen Furchtappellen" in der Aufklärung über den Klimawandel. "Das führt nicht selten zu Apathie und zum Kopf-in-den-Sand-Stecken."

Der Sozialpsychologe nennt aber auch Beispiele für unbewusste Reaktionen auf die Bedrohung. Wer Angst hat, die Kontrolle über sein Leben aufgrund der Klimawandelfolgen zu verlieren, neige auch zu erhöhten autoritären Einstellungen gegenüber Menschen, die durch "soziale Abweichungen" auffallen. Fritsche führte Tests durch und konfrontierte einen Teil der Versuchspersonen mit Themen wie Überflutungen, Dürren oder dem Verschwinden des Wintersports ehe sie sich mit "systembedrohenden" Gruppen (Drogenabhängige, Prostituierte) und "systemstützenden" Gruppen (Richter, Polizisten, Lehrer) beschäftigen sollten. Das Ergebnis: Diese Testteilnehmer werteten die Systembedroher stärker ab und die Systemstützer stärker auf als andere. Die Erklärung des Sozialpsychologen: Die Wahrnehmung schwer abwendbarer persönlicher Bedrohungen wie Tod oder Langzeitarbeitslosigkeit führe zu "ethnozentrischem Denken und Handeln" das sei auch bei gesamtgesellschaftlichen Bedrohungen wie Terrorismus zu erkennen.

"Ob der Klimawandel letztlich zu Verhaltensänderungen führt, hängt nicht unwesentlich damit zusammen, ob Menschen holzschnittartige Ideen darüber haben, was eigentliche klimaschonendes Verhalten ist", sagt Fritsche abschließend. Es handle sich um "Daumenregeln" und häufig nicht um fundiertes Wissen. So gehöre der Verzicht auf Auto und Flugzeug zu unserem sozial geteilten Verständnis darüber, was Einzelne gegen den Klimawandel tun können. Der Verzicht auf Rindfleisch sei im Bewusstsein der meisten Menschen hingegen kaum damit verknüpft. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 28.8.2013)