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John Kerry kündigt eine US-Intervention in Syrien an.

Foto: Reuters/Cameron

Damaskus - US-Außenminister John Kerry ist überzeugt vom Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg. Die Beweise dafür seien überzeugend, sagte er bei einer Pressekonferenz am Montag. Die vorübergehende Weigerung, UN-Inspektoren Zugang zu gewähren, und der Artilleriebeschuss des Schauplatzes seien Anzeichen, dass das Regime von Bashar al-Assad etwas zu verbergen habe. Die USA würden nach Rücksprache mit Partnerstaaten in den kommenden Tagen reagieren, kündigte Kerry an.

Der tödliche Angriff mit Giftgas sei verwerflich und nicht zu leugnen, sagte Kerry: "Was wir vergangene Woche in Syrien gesehen haben, muss das Gewissen der Welt erschüttern. Es verstößt gegen jeden moralischen Kodex."

Auch das Weiße Haus erklärte in einer Pressekonferenz am Montag, dass es Beweise für den Einsatz chemischer Waffen gebe. Das sei unbestreitbar, es bestünden nur sehr geringe Zweifel daran, dass das syrische Regime dafür verantwortlich sei. Präsident Barack Obama habe aber noch nicht entscheiden, wie die USA darauf reagieren werden.

Kurzer Militärschlag

Medienberichten zufolge erwägt die US-Regierung einen bis zu zwei Tage dauernden Angriff auf Syrien. Wie die "Washington Post" in der Nacht auf Dienstag unter Berufung auf hochrangige Regierungskreise berichtete, prüfe Obama einen Militärschlag, dessen Umfang und Dauer begrenzt wären und der die USA nicht tiefer in den Bürgerkrieg hineinziehen würde.

Vermutlich würde der Angriff mit Marschflugkörpern vom Meer aus oder durch Langstreckenbomber erfolgen. Ziele wären Armeeeinrichtungen, die nicht direkt in Verbindung mit dem Chemiewaffenarsenal des Landes stehen. Kriegsschiffe der US-Marine mit Marschflugkörpern befinden sich bereits im Mittelmeer.

Die Umsetzung des Plans hänge von drei Faktoren ab: dem Abschluss der Geheimdienst-Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff nahe Damaskus, den Beratungen mit verbündeten Staaten und dem US-Kongress sowie dem Vorhandensein einer juristischen Grundlage auf Basis des internationalen Rechts.

USA benötigen griechische Stützpunkte

Die USA haben unterdessen die Nutzung zweier Stützpunkte in Südgriechenland und auf Kreta beantragt, berichtete am Dienstag die Athener Zeitung "Kathimerini" unter Berufung auf Kreise des Verteidigungs- und des Außenministeriums. Es gehe um den Stützpunkt von Souda auf Westkreta und den Flughafen von Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes. Es sei bereits eine erhöhte Aktivität von Militärflügen durch den griechischen Luftraum in Richtung Ostmittelmeer registriert worden.

Gemeinsame Aktion

Kerrys Ausführungen sind die bisher härtesten verbalen Angriffe auf das Assad-Regime. Bei dem Angriff am 21. August in einem Vorort von Damaskus sollen hunderte oder gar tausende Menschen ums Leben gekommen sein. Offenbar mit Blick auf das syrische Regime meinte Kerry: "Trotz der Entschuldigungen und Zweideutigkeiten, die einige formulieren, ist das unleugbar." Er warf dem Assad-Regime vor, UN-Inspektoren fünf Tage lang Zugang zu dem Gebiet verweigert zu haben. Zudem habe Syrien durch den weiteren Beschuss der Gegend Beweise vernichtet.

Obama arbeite auf eine gemeinsame Aktion der internationalen Gemeinschaft hin. Er sei mit dem Kongress und mit den Verbündeten im Gespräch, hieß es. Am Montag beriet er sich etwa mit dem australischen Ministerpräsidenten Kevin Rudd. Zudem setzte das Weiße Haus den Präsidenten des US-Abgeordnetenhauses, John Boehner, über die Optionen in Kenntnis, wie dessen Sprecher der "Washington Post" sagte.

Militärs für begrenzte Angriffe

Führende Militärs aus zehn westlichen und arabischen Staaten haben sich bei einem Treffen in Jordanien darauf geeinigt, dass ein möglicher Angriff auf Syrien nur begrenzte Ziele verfolgen sollte. Ein Angehöriger der jordanischen Armee sagte: "Es wurde entschieden, dass begrenzte Raketenangriffe die verantwortungsvollste und nachhaltigste Antwort wären, falls die internationale Gemeinschaft gezwungen werden sollte, in Syrien zu handeln."

Nach Angaben aus Delegationskreisen gab es keine Einstimmigkeit bei der Frage, ob man zudem versuchen sollte, eine Flugverbotszone durchzusetzen und die Luftwaffe Assads zu zerstören.

Der ehemalige Vorsitzende des Syrischen Nationalrats, Burhan Ghaliun, warnte, ein Militärschlag, der nicht die Entmachtung Assads zum Ziel habe, könnte die Lage noch weiter komplizieren. "Denn ein begrenzter Militärschlag würde Assad einen Vorwand liefern, um noch mehr Rache am syrischen Volk zu nehmen", hieß es in einer Erklärung des Oppositionellen, die am Dienstag von syrischen Websites veröffentlicht wurde.

Republikaner kritisieren Obama

Die US-Republikaner haben unterdessen die Vorgehensweise Obamas in der Syrien-Krise kritisiert. Obama sei verpflichtet, dem amerikanischen Volk die Beweggründe für sein Handeln zu erläutern, sagte Boehner am Montag. Vor einem Militäreinsatz müsse Obama zudem Rücksprache mit dem Kongress halten, sagte ein Sprecher. Es müsse klar definiert werden, was ein Angriff erreichen solle. Weiter müsse eine "breit angelegte Strategie vorliegen, wie Stabilität geschaffen werden kann".

Einer Reuters/Ipsos-Umfrage vom Wochenende zufolge lehnt eine deutliche Mehrheit der US-Bürger - etwa 60 Prozent - einen amerikanischen Militäreinsatz gegen Syrien ab. Dagegen sind neun Prozent der Meinung, dass Obama handeln muss. Der US-Präsident kann nach dem War Powers Act von 1973 ohne vorherige Zustimmung des Kongresses einen Militärschlag anordnen. Er muss die Legislative dann innerhalb von 48 Stunden davon unterrichten. Der Einsatz kann bis zu 60 Tage dauern, dann ist eine Genehmigung des Kongresses erforderlich.

UN-Inspektoren sitzen fest

Zuvor waren UNO-Chemiewaffenexperten in Damaskus, die die Giftgasvorwürfe untersuchen sollen, gleich zu Beginn ihres Einsatzes unter Beschuss von Heckenschützen geraten. Ihr Konvoi wurde am Montag beschossen, als die Fahrzeuge die imaginäre Frontlinie passierten. Rebellen berichteten, regierungstreue Milizen hätten vom Militärflughafen aus das Feuer auf das UN-Team eröffnet. Wie die UN mitteilten, wurde die Untersuchung aber fortgesetzt. Das Team habe "wertvolle Daten" zu den Giftgasvorwürfen gesammelt.

Die Untersuchungen der UN-Experten konnten am Dienstag wegen der schlechten Sicherheitslage nicht wie geplant fortgesetzt werden. Ein UN-Mitarbeiter sagte, das Team warte noch auf aktuelle Informationen zu Risiken auf dem Weg in das betreffende Gebiet.

Syrien bestreitet den Einsatz chemischer Kampfstoffe und beschuldigt stattdessen die Rebellen, Giftgas eingesetzt zu haben. Laut der Organisation Ärzte ohne Grenzen sind in von ihr betreuten Krankenhäusern 3.600 Menschen mit Vergiftungssymptomen behandelt worden. Etwa 355 seien gestorben.

USA sagen Treffen mit Russland ab

Die UN-Vetomacht Russland, ein enger Verbündeter Syriens, warnte die USA vor einer militärischen Einmischung. Russland bezweifelt weiter, dass das syrische Regime Giftgas eingesetzt hat. Das US-Außenministerium hat unterdessen ein Treffen mit Russland abgesagt.

Am Mittwoch sollten sich Diplomaten beider Länder in Den Haag treffen, um Pläne für eine internationale Friedenskonferenz zur Syrien-Krise zu besprechen. Aufgrund der aktuellen Beratungen der USA über einen möglichen Militäreinsatz wurde das Treffen vorerst abgesagt, es solle aber bald ein neuer Termin gefunden werden, teilte das US-Außenministerium mit. Der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow erklärte, Russland bedauere die Absage. Die Entscheidung sei von den USA im Alleingang getroffen worden. (APA/Reuters, 27.8.2013)