Damaskus/Wien - Das Angebot komme zu spät und sei daher nicht glaubwürdig. So lautet das Urteil des britischen Außenministers William Hague und anonymer Quellen aus der US-Regierung, die die "New York Times" und die Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende zitierten, über die syrische Entscheidung, UN-Experten in jenem Vorort von Damaskus Untersuchungen durchführen zu lassen, wo chemische Waffen eingesetzt worden sein sollen.

Aussagen wie diese klassifizierte der deutsche Chemiewaffenexperte Ralf Trapp am Montag im Gespräch mit dem STANDARD als "eher politisch". Sarin etwa - jene Chemiewaffe, über deren Einsatz im aktuellen Fall spekuliert wird - sei durch "charakteristische Spuren" im Blut von Opfern meist noch Wochen nach einem Einsatz nachweisbar. Zudem hinterlasse der Kampfstoff, obwohl flüchtig, Zerfallsprodukte im Boden, die den Nachweis ermöglichten.

Dass es durch Luftangriffe, wie sie Montagfrüh laut Rebellen in den betroffenen Gebieten stattgefunden haben sollen, zur Beseitigung der Spuren kommen könnte, hält er für unwahrscheinlich: "Natürlich kann durch das Bombardement etwas verlorengehen, es sollte aber in jedem Fall noch genug vorhanden sein."

Und auch für den Fall, dass andere Kampfstoffe als Sarin zum Einsatz gekommen seien, wären diese aller Wahrscheinlichkeit nach noch nachweisbar: "Wenn Sie einen Einschlagkrater finden, dann können Sie auch feststellen, was da verwendet wurde."

Die NGO Ärzte ohne Grenzen hatte in einer Presseaussendung am Wochenende davon gesprochen, dass nach den Angriffen in von der Organisation unterstützen Krankenhäusern 3600 Patienten behandelt worden seien, von denen 355 gestorben seien. Die Symptome - Muskelkrämpfe, verengte Pupillen und Schaum vor dem Mund – hätten dem entsprochen, was bei Verwendung eines Nervengiftes zu erwarten sei. Dass diese Symptome, die auch auf Videos vom Ort des Geschehens zu sehen sind, in einem derart großen Ausmaß so glaubwürdig gefälscht werden können, halten Mediziner für sehr unwahrscheinlich.

Eindeutige Symptome

Sie würden, neben anderen chemischen Kampfstoffen, auch zu Sarin passen. Das farb- und geruchlose Gift, das sowohl über die Atmung als auch über Haut oder direkte Einnahme - etwa dann, wenn Trinkwasser damit verunreinigt wurde - in den Körper gelangen kann, bewirkt eine Reizung der Nerven. Der Tod tritt häufig durch Atemlähmung ein.

Nach den Angriffen in Damaskus wurde berichtet, dass Überlebende unter Atemproblemen litten. Weil sich Sarin auch in der Kleidung festsetzt und dann bis zu 30 Minuten lang verdampft, können weitere Menschen geschädigt werden, wenn sie mit Flüchtenden in Kontakt kommen. Gegengifte, etwa Atropin, wirken nur bei sofortiger Einnahme. Dann ist aber sogar eine Heilung innerhalb von zwei Wochen möglich. (Manuel Escher, DER STANDARD, 27.8.2013)