Der Globus auf dem Straußenei könnte der älteste Globus mit einer Darstellung der Neuen Welt sein.

Foto: Washington Map Society

Wien/Washington - Die Neue Welt fein graviert auf einem Straußenei: Der in Wien lebende Globensammler Stefaan Missinne will den ältesten Globus mit einer Darstellung der Neuen Welt entdeckt haben. Wie die "Washington Post" kürzlich unter Berufung auf einen Artikel im Journal der Washington Map Society berichtete, soll der Globus, der die damals bekannten Teile Nord- und Südamerikas zeigt, aus dem Jahr 1504 stammen. Damit wäre er früher entstanden als die bisher älteste bekannte Darstellung aus 1510. Globenexperten zeigten sich beeindruckt von dem Fund, fordern aber durchgehend weitere und genauere Untersuchungen.

Der Straußenei-Globus zeigt nicht nur die Neue Welt, sondern auch andere für die damalige Zeit exotische Länder wie Japan, Brasilien oder Arabien. Nordamerika ist als Gruppe einzelner Inseln dargestellt, die Beschriftung ist in Latein gehalten. Über der Küste Südostasiens findet sich zudem der gravierte Satz "Hic Sunt Dracones", was so viel wie "Hier sind Drachen" bedeutet. Ähnliche Darstellungen von Monstern finden sich auch auf frühen Karten - so wollten Geographen vor drohenden Gefahren warnen, erklärte Thomas Sander, der Herausgeber des Journals der Washington Map Society gegenüber der "Washington Post".

Hunt-Lenox-Globus um 1510

Dieser spezielle Satz findet sich jedoch nur auf einem weiteren Objekt: Der bisher ältesten Darstellung der Neuen Welt auf dem Hunt-Lenox-Globus aus Kupfer, der auf etwa 1510 datiert wird und Eigentum der New York Public Library ist. Missinne schlussfolgert deshalb, dass es sich bei dem Kupferglobus um einen Abguss des von ihm entdeckten Straußeneis handelt. Auch Details wie Linien oder die Konturen der Länder stimmen überein. Allerdings ist die Form des Straußenei-Globus unregelmäßig, während der Kupfer-Globus eine perfekte Kugel darstellt.

Das führt der Globensammler, der in Wien lebt und arbeitet, auf den Alterungsprozess des Eis und eine Abnahme der Schalendichte zurück, die er mithilfe von Computertomographie nachgewiesen haben will. Zudem seien die Abgüsse der beiden Hälften getrennt vorgenommen worden, danach wurden die Eihälften wieder zusammengeklebt. Das könnte auch die verschwommenen Linien rund um den Äquator erklären.

Da der Globus nicht signiert ist, bleibt unklar, wo und von wem er hergestellt wurde. Aufgrund der Abbildung eines Schiffs am Indischen Ozean vermutet Missinne allerdings eine Verbindung zur Werkstatt Leonardo da Vincis. Denn eine ähnliche Darstellung finde sich auch bei einem mit da Vinci gut bekannten Künstler. Diese Verknüpfung ziehen internationale Experten jedoch stark in Zweifel.

Experten fordern weitere Untersuchungen

"Es muss zunächst klargestellt werden, woher das Objekt kommt", betonte Chet Van Duzer von der John Carter Brown Bibliothek im US-amerikanischen Providence gegenüber der "Washington Post". Auch andere Experten sprechen von "roten Warnlichtern", die beim Lesen des Artikels aufgetaucht sind und fordern genauere Untersuchungen und Analysen.

Problematisch finden sie vor allem auch die ungeklärten Besitzverhältnisse: Laut Missinne wurde der Globus 2012 bei der London Map Fair erworben, ursprünglich soll er im Besitz einer adeligen italienischen Familie gewesen sein. Von Generation zu Generation weitergegeben, wurde er schließlich im Zuge der wirtschaftlichen Nöte nach dem Zweiten Weltkrieg verkauft. Unklar ist, ob der Globensammler Missinne selbst derzeit in Besitz des Straußenei-Globus ist - er lehnte jeden Kommentar dazu ab. Sei das der Fall, könne das zu Interessenskonflikten führen, betonten einige der Experten. (APA, 26.8.2013)