Brüssel/Zagreb - Kroatien sieht sich wenige Wochen nach seinem EU-Beitritt bereits mit Sanktionsdrohungen der EU-Kommission konfrontiert. Die Behörde bedauerte am Montag, dass Kroatien einer schriftlichen Aufforderung zur Auslieferung eines mutmaßlichen Straftäters nach Deutschland nicht geantwortet hat.

Der pensionierte Geheimdienstoffizier Josip Perkovic wird für den Mord an dem Dissidenten Stjepan Djurekovic 1983 - noch zu jugoslawischen Zeiten - im bayerischen Wolfratshausen verantwortlich gemacht. Das kroatische Parlament hatte drei Tage vor dem EU-Beitritt eigens ein Sondergesetz verabschiedet, das den Geheimdienstler vor der Auslieferung schützt.

"Herz der Justiz-Kooperation"

Dies sei "keine unbedeutende Frage für uns", sagte eine Sprecherin der EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Es gehe vielmehr um "das Herz der Justiz-Kooperation". Reding werde den Fall nächste Woche beim Treffen der EU-Kommission vorbringen und mögliche Aktionen ansprechen, wie diese in Artikel 39 des kroatischen Beitrittsvertrags genannt sind, sagte die Sprecherin.

Im Oktober will Reding die EU-Justizminister mit dem Fall befassen. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic hat am Freitag eine einheitliche Regelung für den europäischen Haftbefehl verlangt.

Die EU-Kommission ließ dieses Argument am Montag nicht gelten. Zwar hätten die EU-Staaten bei den Verhandlungen zum europäischen Haftbefehl Möglichkeiten für sich Ausnahmen ausgehandelt, doch hätten diese nicht für später der EU beitretende Staaten gegolten, auch nicht für Kroatien, sagte die Sprecherin. Kroatien habe dies bei den Beitrittsverhandlungen auch nicht zum Thema gemacht. Die Änderung des Gesetzes drei Tage vor dem EU-Beitritt sei "ein Vertrauensbruch gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten", die ihrerseits den Beitrittsvertrag mit Kroatien ratifiziert haben.

Artikel 39 sieht "angemessene Maßnahmen" vor, die die EU-Kommission bei "ernsthaften Mängeln" gegen Kroatien verhängen darf. Dazu können bestimmte EU-Bestimmungen befristet und maximal für drei Jahre nach dem Beitritt ausgesetzt werden. Die Maßnahmen könnten von einem speziellen Monitoring, bis zur teilweisen Aussetzung von EU-Finanzhilfen und einem negativen Befund über die Schengen-Reife des Landes reichen, hatte Reding erklärt.

Kritik an Milanovic

Die kroatische Öffentlichkeit zeigte sich in den vergangenen Wochen verwundert über die Hartnäckigkeit des Premiers, an diesem Gesetz festzuhalten, zumal auch Koalitionspartnerin und Außenministerin Vesna Pusic die Haltung kritisierte und in einem Zeitungsinterview festhielt, dass Kroatien die übernommenen Verpflichtungen verletzt habe.

Die liberalen Zeitungen "Novi list" und "Jutarnji list" bezeichneten Milanovics sture Haltung als schädlich für Kroatien und warfen ihm vor, die anderen EU-Staaten vor den Kopf zu stoßen. Er befördere das Land in Zeiten zurück, in denen Kroatien "von einem europäischen Ultimatum zum nächsten" funktioniert habe, kommentierte "Novi list". (APA, 26.8.2013)