Der 2013er-Jahrgang der Ducati Multistrada 1200 S Granturismo.

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Neu sind unter anderem der überarbeitete Motor, die Felgen, neue Scheinwerfer und "ästhetische Überarbeitungen", wie das Prospekt raunt.

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Vier Fahrmodi serviert die Ducati Multistrada. Drei hat Harald Fidler ausprobiert.

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Ducati-Antlitz mit Schild.

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Pures Understatement mit Seitenkoffern, für das Ducati einen selbstbewussten Preis verlangt.

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Wenn da noch ein Rest Glaubwürdigkeit war - gleich ist er weg: Gerade habe ich noch von der CB 500 F mit ihren doch eher schlanken 48 PS geschwärmt - und dass da von Langeweile keine Rede sein kann. Und jetzt das, frei nach dem alten Joki Kirschner, wer ihn noch kennt: Bei Drehmoment und Leistung ist schon gut, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man's hat, wenn man's braucht. Vor allem, um fehlendes Können auszugleichen.

Kraft ersetzt Können? Klingt doch eher nach einem brandgefährlichen Prinzip, gerade auf zwei Rädern. Ist es grundsätzlich auch. Aber eben nicht immer und überall.

Wenn zum Beispiel der Herr Glu zwischen Guntramsdorf und Gurk auf dem Crosstourer von Honda ständig weit, weit vorn davonzieht, die Reißerische stets direkt hinter ihm voller Anmut und Schneid auf der CBR 600 RR. Dann kann ich vom weitaus stärksten Gerät in dieser Langstreckentesterei, der Ducati Multistrada in Granturismo-Ausführung, a) nachwinken. Oder b) diese große Stärke zumindest auf der einen oder anderen Zwischengeraden mit kurzen, aber gewaltigen Beammaßnahmen nützen, um den beiden ein paar Meter näher zu rücken. Auf immer noch zwei bis drei Zigarettenlängen Rückstand.

Unddannrein

Die Kraft gleicht mangelndes Können aber vor allem in diesen fordernden Passagen zwischen den Zwischengeraden wunderbar aus, die man gemeinhin Kurve nennt. Oder, treffender, Kehre. Oder Reidn, wie die 52 Serpentinen der Nockalmstraße. Genau dieser so wunderbar verschlungene Weg über die Eisentalhöhe, Karlbad, Grundtal, Schiestelscharte und Winkltal ist unser Ziel bei diesem Ausritt. Die 52 muss man erst einmal derreidn. Genau da kommt die Kraft ins Spiel.

Meine Beratungsresistenz blockt nämlich die fundamentalen Weisheiten des Professor Gluschitsch beharrlich ab. Vor, bei, nach jeder Ausfahrt mit mir murmelt er milde, aber eindringlich sein Mantra für den richtigen Kehraus: "Außenaußenaußenaußenbleiben. BiszumKurvenscheitel. Unddannrein." Wer mich kennt, weiß, dass ich mich mit Scheiteln gar nicht auskennen kann. Der Guido will das nicht einsehen. Aber auch wenn er den Scheitel mit Kurvenmitte umschreiben würde - es würde vermutlich weder meine Souveränität noch Eleganz bei der Bewältigung von Kehren maßgeblich verbessern.

Nur nicht außenaußenaußen

Ich eiere also irgendwie und irgendwo, nur nicht außenaußenaußen in die Kehre, bremse gerne auch noch deppert mittendrin, weil mich plötzlich der Verdacht ereilt, ich habe das Zusammenspiel von Geschwindigkeit und Kurvenwinkel schon wieder unterschätzt - und bleibe irgendwo in der Mitte der Kehre fast stehen. Nun könnte ich diesen Ablauf zu einem schlüssigen Ende bringen, indem ich kurz und trocken umfalle. Das allerdings würde der steirische Ducati-Importeur BLM nicht besonders schätzen, wie ich aus meiner Erfahrung mit der 999er weiß. Und meine wunderbare Sozia schon gar nicht.

Wobei: der wirklich breite Lenker, für die GT-Ausführung ein bisschen höhergelegt. Die schmucken Sturzbügel. Die wirklich, wirklich geräumigen Seitenkoffer (73 Liter!) und das noch viel üppigere Topcase (48 Liter), alle bestückt mit passenden, natürlich Ducati-gebrandeten und sehr chicen Innentaschen. All diese Features würden gewiss dafür sorgen, dass die Sozia beim trockenen Umfallen in der Reidn in ihrer Wunderbarkeit völlig unbeeinträchtigt und von Bodenkontakt gänzlich verschont bleibt. Trotzdem lassen wir das besser. Und lassen lieber die rechte Hand eine kleine Drehbewegung nach hinten unten vollführen. Anders gesagt: Wir geben Gas.

Eine Frage der Einstellung

So nah an den absoluten Stillstand in überflüssig schräger, kurvenmittiger und also ziemlich depperter Lage kann selbst ich dieses Moped gar nicht bringen, dass es sich nicht mit ein, zwei tiefen Räusperern seines 90-Grad-Twins mit 1.198 Kubikzentimetern Hubraum, 150 PS und knapp 125 Newtonmetern (erreicht bei 7.500 Umdrehungen in der Minute) aus der Kurve und in würdigere Haltung befördert. War was?, fragt die Multi dann gelassen.

Solche Gelassenheit ist natürlich vor allem eine Frage der Einstellung. Ducati spendierte der GT-Version neben höherem Schild, LED-Festbeleuchtung, Heizgriffen und Komfortsitzbank, die ihren Namen auch nach 1.140 Kilometern in wenigen Tagen zu Recht trägt, vor allem auch eine "Ducati Skyhook Suspension", kurz DSS, elektronisch voll einstellbares Fahrwerk.

Von den vier Modi für Kraft, Traktionskontrolle, Federweg - Sport, Touring, Urban und Enduro - habe ich drei probiert. Enduro verlängert, logisch, auch gleich die Federwege - das habe ich Kurzbein mir dann nicht zugetraut. Ich will ja nicht bei jeder Ampel anlehnungsbedürftig nach Straßenlampe oder Hydrant Ausschau halten müssen.

Sport mit 150 Pferden

Urban ist für Regen oder entspanntes Dahinzuckeln in der City okay, die in diesem Modus offerierten 100 PS reichen praktisch eh immer. Sport schraubt die Pferde auf 150, die Traktionskontrolle dafür weit Richtung null. Dem Guido ist das zu scharf, sagt er. Was soll ich sagen: Im Sportmode habe ich den Übermut auch immer nur ein paar Minuten laufen lassen.

Also Touring. Klingt nicht aufregend, ich weiß. Pures Understatement, kann ich versichern. 150 PS. Plus extrafettes Drehmoment und doch noch eine gewisse Milde in der Umsetzung. Perfekt also, damit sogar ich die übrigen 51 Nockalmreidn derreide.

Bleibt eigentlich nur noch eine Herausforderung: Für eine längerfristige Beziehung erfordert das edle graue Teil 22.950 Euro. (Harald Fidler, derStandard.at, 26.8.2013)